Morbid Angel – Kingdoms Disdained

von am 14. Dezember 2017 in Album

Morbid Angel – Kingdoms Disdained

Mit Fanservice zurück zur Relevanz: Morbid Angel machen auf ihrem ersten Studioalbum seit annähernd sechs Jahren verdammt viel richtig – einfach schon dadurch, dass Kingdoms Disdained kein zweites Illud Divinum Insanus geworden ist.

Ist der Titel ihres neunten Studioalbums zwar in erster Linie als Referenz an Thundarr gedacht, haben die Death Metala-Pioniere aus Florida mit dem Vorgänger [amazon_link id=“B004VUP8RK“ target=“_blank“ ]Illud Divinum Insanus[/amazon_link] nicht nur grammatikalische Fehler gemacht, sondern wohl tatsächlich in gewisser Weise ihre angestammten Königreiche verschmäht. Man muss der Band um (den die kreativen Zügel mittlerweile wieder in fester Hand haltenden) Mastermind Trey Azagthoth dabei aber auch zugute halten, dass es rund um den (je nach Sichtweise gott- oder krankheitsbedingten) Ausstieg von Drummer Pete Sandoval eine schwierige Zeit für Morbid Angel war, die wohl zwangsläufig mit Geburtsschmerzen traumatisierten musste, indem mutmaßlich vor allem Ex-Frontmann David Vincent das Momentum des eklatanten Umbruchs zu nutzen wusste, indem er nonkonformistischem Puristengift in den Sound der Band injizierte.
Ein mutiger Schritt für eine seit zwei Jahrzehnten auf Zuverlässigkeit bedachten Institution – der sich nicht auszahlte. Das vielgehasste Illud Divinum Insanus wurde zwischen penetranter Industrial-Anbiederung und schmerzhafter Belanglosigkeit vor diesem Hintergrund vielleicht sowas wie das Diabolus in Musica der Band – nur zu Recht so ganz ohne jeden Fürsprecher.

Sechs Jahre später soll all dies durch Kingdoms Disdained vergessen werden. „I want to make killer music with killer people.“ sagt Azagthoth und sorgt dafür alleine schon mit den Vorzügen, die durch neuerliche personelle Rochaden, Um- und Rückversetzungen geschaffen werden: Scott Fuller beerbt Tim Yeung hinter der Schießbude und liefert eine ungemein zwingende Performance, die gleichzeitig virtuos aufzeigt, wie sie doch vor allem im Dienst der Sache arbeitet. Steve Tucker wiederum ist zurück am Bass und Mikro – und klingt dabei vielleicht unvariabel wie eh und je, passt mit seiner dauerangepisst Druck machenden Stimme aber exzellent zur Band, bellt und growlt wie eine Urgewalt.
Eine Wiedereinstellung wie eine Ansage. Und symptomatisch für den Charakter von Kingdoms Disdained: „I want this to be Morbid Angel. I don’t want this to be what it was being changed to be„. Genug der Experimente und Polarisationen also. Morbid Angel besinnen sich auf ihre Kernkompetenzen und das Wesentliche, liefern ein weitestgehend wertkonservatives und bisweilen auch stur den Death Metal bügelndes Quasi-Comeback ab. Dass der prolongierte Fanpleaser paradoxerweise dennoch wieder die Basis spalten könnte, ist da freilich beinahe Ehrensache.

Nicht jeder wird sich schließlich mit der fast schon am Hardcore-geschulten, auf moderne Gepflogenheiten abgestimmten Produktion anfreunden können, die das Schlagzeug wuchtig ausmalt, gerade die Gitarrenarbeit aber relativ unscheinbar und einem dichten Rhytmus-Mahlstrom verschwendet. Die wenigen Soli tauchen da regelrecht unvermittelt aus dem plättenden Klanggewand auf, Nuancen verschwimmen da zwangsläufig. Kingdoms Disdained prügelt praktisch permanent flächig aufs Maul und kehrt damit sogar ein wenig unter den Schemel, dass Azagthoth eigentlich wohl noch nie zuvor so sehr an Dissonanz und obskuren Wendungen in seinen Gitarrenfiguren interessiert war.
Entscheidungen, die der Platte zugunsten einer immensen Schlagkraft weniger an klar sehender Individualität kosten, als in einem unermüdlich steten Schwall ein wenig  abstumpfen lassen. Am Stück konsumiert läuft Kingdoms Disdained durchaus Gefahr zu einer zähflüssigen Masse ohne Perspektive zu verklumpen, walzt als rollende Highspeed-Lavaflut mit profanen Scheuklappen alles nieder, was sich ihr in den Weg stellt. Das haben etwa die alten Helden von Obituary mit einer ähnlich an den eigenen Standards orientierten Platte zuletzt durchaus facettenreicher atmend inszeniert.

Doch der Ansatz zündet im Umkehrschluss auch ohne unnötigen Umwege. Morbid Angel reißen durch die geballte Kraft der Performance und einer soliden Routine mit, die auf diesem Niveau natürlich auch als grundsätzliche Klasse zu verstehen ist: Kingdoms Disdained destilliert dort, wo Heretic aufgehört hat, inszeniert die Gefinkeltheit von Gateways to Annihilation jedoch hinter dem in die Auslage gestellten toughen Auftreten. Gerade in der Anfangsphase ist Kingdoms Disdained in der servierten Bösartigkeit, Aggressivität und Härte nämlich vor allem eine an Bord holende Geste, die man im generischen Mahlstrom so einfach schon spezifischer und mitreißender von der Band gehört hat – doch der MO funktioniert entlang mitgerissener Ermüdungserscheinungen über die dabei transportierte Stimmung, das grundsätzliche Charisma und die Atmosphäre aus wummernde Dichte schlichtweg.
Packend herausragende Momente bollern später noch schärfer texturiert aus der sumpfig produzieren Masse einer (über die rasend knüppelnde Gemeinheit Piles of Little Arms schnell auf Betriebstemperatur wütenden, aber) erst nach und nach in Fahrt kommenden Platte. Dann bricht etwa der peitschende Groove von Architect And Iconoclast Nacken, wirft sich D.E.A.D. in seine Riffkaskaden oder beschwört in The Righteous Voice alte Glanztaten.

Man muss sich wohl einige Male von dem Massiv der Platte erdrücken lassen, um zu den Feinheiten dieses zornigen Geflechts durchdringen zu können. Mit präzise bedienten Kernkompetenzen agiert das (mittlerweile um Gitarrist Dan Vadim Von wieder zum Quartett gewachsene) Trio dennoch verdammt effizient daran, einst verprellte Langzeitfans auszusöhnen: Kingdoms Disdained ist kompromiss- und schnörkellos, ungemein kompakt und arbeitet mit monströser Kraft an seinem plättenden Unterhaltungswert.
Das ergibt über in kleineren Dosen am besten zündende 48 Minuten einer handwerklich makellosen Platte, die als mit Abstand bestes Morbid Angel-Album dieses Jahrhundert den Fokus für die Band eher revitalisierend gerade rückt, als dass es neue Limits zaubert. Eine rundum zufriedenstellende Angelegenheit also, die zwar sicher auch von der niedrigen Erwartungshaltung profitiert, aber letztendlich mit einer einfachen Gleichung entlässt: Selbst ein (leicht über)durchschnittliches Morbid Angel-Album im Death Metal-Modus ist zwingender und charakterstärker als ein Gutteil der oben mitspielenden Konkurrenz. Da genügt eine tolle Verwalterplatte im brachial-muskulösen Produktionsgewand, die ihre Relevanz primär über pures Können definiert.

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