Mother Tongue [24.07.2016: Sublime, Aflenz]

von am 25. Juli 2016 in Featured, Reviews

Mother Tongue [24.07.2016: Sublime, Aflenz]

Selbst an einem schwächeren Abend sind Mother Tongue eine der zehn besten Livebands der Welt„. Eigentlich unfassbar, was Davo Gould da von sich gibt. Denn dass Mother Tongue auch nur ansatzweise einen schwächeren Tag haben können, erscheint kaum möglich.

Zumindest legt dies der zweite Österreich-In The Blood-Tourstop der Kalifornier dringend nahe. Denn auch wenn das Sublime seit über einem Jahrzehnt eine innige Liebesbeziehung zu Mother Tongue pflegt (F.T.W. hätte die Band hier gar das erste Mal live gespielt, wie Davo während einer durchatmenden Verschnaufpause im Song nicht unnostalgisch erzählt), sehen die Vorzeichen auf den ersten Blick eigentlich suboptimal aus: Keine 50 Besucher haben sich schätzungsweise in den Kurort Aflenz verirrt, das in Sachen Sound und Lichteffekte alle Stücke spielende Sublime bleibt bestenfalls ernüchternd halbvoll.
Ab dem Zeitpunkt, zu dem Mother Tongue die Bühne erklimmen, spielt dies jedoch keine Rolle mehr. Aus vermeintlichen Zitronen hat diese Band schließlich immer schon Limonade gemacht. „Ob wir vor 20 oder 20.000 Leuten spielen ist egal – wir hängen uns immer rein“ kündigt Davo vor dem Opener Burn Baby an, grinst verschwörerisch, und man ist unmittelbar mitten drinnen in einem vor Leidenschaft und Intensität förmlich vibrierenden Konzertabend, der den freien Raum der Location mit fast schon magischer Intimität ausfüllt.

Mother Tongue Live 2

Wobei man auch der anwesenden Besuchermasse Tribut zollen muss: Die mitreißende Nahbarkeit der Band greift infektiös über, die Stimmung ist exzellent. Mit jedem Moment wird das Publikum ausgelassener, bewegt sich mehr, feiert das Quartett zwischen den Songs intensiver, tanzt um Christian Leibfried, als dieser plötzlich durch das Sublime marschiert und die familiär wirkenden Bande zwischen Band und dem Publikum noch enger zieht. Der Jubel und die Forderungen nach einer Zugabe wollen so nach der Show dann auch minutenlang nicht verstummen. Immer wieder brandet der Applaus von neuem auf, obwohl die Lichter bereits an sind und Musik vom Tonband läuft. Dieser Bluesrock-Rausch, er macht süchtig.
Zugabe sollte es an diesem Abend übrigens trotz aller Hartnäckigkeit keine geben – was aber durchaus so passt: Das Set, das Mother Tongue über knapp zwei Stunden in dem brütend heißen Club als wahrlich schweißtreibenden Husarenritt hinausgeblasen haben, lässt entlang 20 entfesselter Songs (im Prinzip die selben Nummern wie etwa in Hamburg, allerdings in anderer, spontan gewählter Abfolge und ergänzt durch Future, dazu eben ohne Unterbrechung dargeboten) praktisch glückselig und ohne offenen Wünsche (naja, vielleicht doch ein paar).
(Als Zusatzinformation an dieser Stelle: Selbst die Enttäuschung darüber, dass der enorm freundliche Typ am Merchstand die Tourshirts nur noch in Größe S anbieten kann, relativiert sich irgendwo. Weil die Teile so geschnitten sind, dass man auch als theoretischer L-Träger Platz darin hat).

Mother Tongue Live 1

CRMBL explodiert da mit eruptiver Kraft, The Seed steigert sich immer weiter in den Exzess und Dark Side Baby zieht mit fast punkiger Geschwindigkeit davon. In the Night Time nimmt sich dagegen alle Zeit der Welt, während Casper mit stampfender Eindringlichkeit in seinen Bann zieht. Vor allem der orgasmisch auf Reisen geschickten Schlusspunkt Broken (in dem es übrigens besonders ärgerlich auffällt, dass einige wenige Idioten im Publikum bei den ruhig-driftenden Passagen dann doch einfach nicht ihre Fressen halten können und über Bier quatschen müssen) kommt die Bandchemie besonders imposant zum Tragen: (Unser Adventskalendergast) Bryan Tulao gibt (mittlerweile etwas ausgemergelt) den akribisch-adretten Arbeiter, Christian Leibfried den losgelösten Hippie, der seine WahWah-Soli mitsingt, und Sasha Popovic den so zweckdienlich wie furiosen Antreiber, während Bassmonster Davo Gould (samt Trademark-Hut und Unterhemd) mit seinem fesselnden Charisma anstandslos in den Bann zieht. Das blinde Verständnis, mit dem die Band ihre Songs hinter dieser Authentizität zelebriert, hat dabei auch nach der langen Auszeit nichts an Ausstrahlung, Kraft und Hingabe verloren. Jeder einzelne der hinausgehauenen Genre-Juwelen sitzt tight, groovt ohne Ende, rockt knackig nach vorne, um dann immer wieder in grandiose Jams auszuarten.
Mother Tongue sprühen vor Spielwitz und Energie, knocken im dynamischen Wechselspiel zwischen laut und leise aus, haben den Blues und den Funk verinnerlicht. Da passt von der Location über das Publikum, die Band und die Setlist nahezu alles. Und doch ist dieser Abend eben mehr als die Summe seiner Teile. Das ist Passion, Euphorie, und eine unvergleichliche Präsenz, die einen schlichtweg ins sabbernde Schwärmen versetzt, die man erlebt haben muss. Kurzum: Eine der besten Livebands der Welt ist endlich wieder auf Tour. Wer sich Mother Tongue also heute Abend in Wien entgehen lässt, ist selber Schuld.

Mother Tongue Live 3

Mother Tongue Live 4

Mother Tongue Live 6

Mother Tongue Live 7

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