Nick Cave – Seven Psalms

von am 3. Juli 2022 in EP

Nick Cave – Seven Psalms

Auf Seven Psalms verliest Nick Cave mit Hintergrund-Helfer Warren Ellis und Produzent Luis Almau ebenso viele christlich-spirituelle Spoken Word-Stücke vor einem abschließenden zwölfminütigen (offiziell instrumentalen) Ambient-Ornament.

Besagter Schlusspunkt – das Psalm Instrumental aus dem Nachlass von Carnage – klammert die stimmlichen Aspekte der Platte entgegen seines Titels und der Angaben im Beipackzettel keineswegs komplett aus, verschiebt sie allerdings dahingehend, dass sie nur noch als wehmütige singende Backingchöre agieren, derweil Cave rund um Minute 6 doch einmal kurz zu einer flüchtigen Rezitation auf der Kanzel nach vorne tritt. Wo die Texte bis zu diesem Teil der EP die Essenz der Platte sind, liegt das Hauptaugenmerk der mit Abstand längsten Nummer aber eben wirklich klar auf der instrumentalen, der musikalischen Seite.

Die in sich geschlossenen, aber durchaus variabel arrangierten Nuancen der pastoralen Klangmalerei in die Auslage zu stellen, ist angesichts der einnehmenden Atmosphärearbeit durchaus verdient, wie alleine dann überdeutlich wird, wenn um Minute 4 ein unwirklicher Traum aus kirchlichen Field Recordings und nautisch-gespenstischer, beinahe orchestraler Tendenz das Kopfkino stimuliert. Im weiteren Spektrum ist das strukturoffene Psalm Instrumental aber vor allem ein weitläufigerer, fundamentaler Pool derselben Ästhetik und Ideen, die auf dem fragmentarisch ineinanderfließenden Amalgam Seven Psalms auch ansonsten geboten wird – nur dort eben im gekürzten, weil selten über zwei Minuten Spielzeit hinausgehenden Auslauf und mit einer markanten Spoken Word-Präsenz von Cave himself.
Der erläutert: „Während des Lockdowns schrieb ich eine Reihe von Psalmen oder kleinen, heiligen Liedern – einen pro Tag, eine Woche lang. Die sieben Psalmen werden als eine lange Meditation präsentiert – über Glaube, Wut, Liebe, Trauer, Barmherzigkeit, Sex und Lob. Ein verschleiertes, kontemplatives Angebot, das aus einer unsicheren Zeit stammt.

Als meditative, minimalistische Ambiente-Gebete breiten sich die insgesamt 24 Minuten stimmungstechnisch also aus wie Intermezzi, die auch zwischen One More Time With Feeling poetisch sinnieren könnten, nachdenklich den choralen Texturen und sakralen Facetten folgend: „I have nowhere left to go but to you, Lord/Breathless, but to you.
Have Mercy on Me nimmt etwa etwas düsterer, ernst und beklemmend ausgeleuchtet in die Gospel-Arme, in I Have Wandered All My Unending Days deuten die Backinggesänge Melodien im Drone an – doch es ist primär die unendlich charismatische, angenehme Erzählstimme von Cave, die fesselt. In Splendour, Glorious Splendour treibt ein Klavier als elegische Erinnerung durch das Geschehen einer stillen Sehnsucht, auch mehrstimmig, bevor I Come Alone and to You erlösend funkelt, als ruhige Andacht mit erhebender Harmonie, auch durch Positionierung aber am merklicheren das skizzenhafte Wesen der Nummern vorführend – obwohls besagtes Psalm Instrumental nach kurzer Abblende homogen übernimmt und auf eine beinahe versöhnliche, hoffnungsvolle Note endet und Seven Psalms dem Schaffen von Nick Cave eine atmosphärisch funktionierende, dem Song-Format entsagende Fußnote hinzufügt, in der man sich – in unsicheren Zeiten Sicherheit suchend – ungeachtet der klerikalen Prägung geborgen fühlen kann.

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