Nick Cave & The Bad Seeds – Push the Sky Away

von am 10. Februar 2013 in Album, Heavy Rotation

Nick Cave & The Bad Seeds – Push the Sky Away

Dass das 15. Studiowerk seiner altehrwürdigen Institution klingen würde wie kein je zuvor von ihm aufgenommenes Album versprach Nick Cave im Vorfeld von ‚Push the Sky Away‚. Nun weiß man: keine leere Floskel, sondern ein Versprechen. Die Bad Seeds denken 30 Jahre nach ihrer Gründung an Ruhe aber nicht den Ruhestand.

Wer die bei Grinderman so grandios funktioniert habende, aber im The Bad Seeds-Kosmos mit ‚Dig, Lazarus, Dig!!!‚ medioker ausgefallene Hinwendung zum schweinischen Rockexzess als Ausdruck einer musikalischen Midlife-Crisis beim nunmehr 55 jährigen Australier und seiner treuen Gefolgschaft gedeutet hat, wird in ‚Push the Sky Away‚ nun unzweifelhaft die Ankunft der Truppe im eigenen Alterswerk erkennen können. Gänzlich falsch ist dies sicher nicht, trifft den Kern jedoch nur auf jener Hälfte der Medaille, auf deren Kehrseite der unbändige Wille der Band eingemeißelt ist, ihrem unverkennbaren Stil eine abermalige dynamische Frischzellenkur zu verpassen.

Push The Sky Away‚ ist das beste, zumindest aber kompakteste und in sich geschlossenste Album der Band seit dem 2001er Meisterwerk ‚No More Shall We Part‚ geworden; es greift in seiner stillen Erhabenheit sogar ansatzweise auf dessen schwelgende, vorwiegend balladeske Schönheit zurück – und geht doch einen vollkommen anderen Weg. Wo dort hymnische Streicher und Pianofiguren ausladend romantische Gesten vollführten, verdichtet sich ‚Push the Sky Away‚ im reduzierten Minimalismus, streut sein grundsätzlich reichhaltiges Instrumentarium unheimlich behutsam über das zurückgenommene Songwriting. Bass und Schlagzeug erden jeden Song, Gitarren huschen geisterhaft und einsam durch die mitternächtliche Atmosphäre, sakrale Orgelmeere tauchen sparsam auf, die Stimmung dient einer selbstsicheren, gedämpften Feierlichkeit – eben ganz, wie die grandiosen Vorabsongs ‚We No Who U R‚ und ‚Jubilee Street‚ es erträumen ließen.

Nicht ausladende Melodien gilt es für die Bad Seeds diesmal einzufangen, sondern die stets so eindringliche Atmosphäre: wo kleine Einfälle und sanfte Anschläge betörende Schönheit kreieren, der Slocore in all seiner Intimität näher ist als Exzess oder Pomp. Jeder Moment der Platte ist sorgsam überlegt, behutsam inszeniert, zielführend ausgerichtet. Cave hält mit seiner Stimme das Gefüge zusammen, gefällt sich weniger als Sänger, Crooner oder Rocker, sondern bevorzugt seinen rezipierenden Sprechgesang, gibt überwiegend den Prediger, Beobachter und Erzähler. Seine Stimme leitet die selektierend wirkenden Herangehensweise der Bad Seeds, deren untrüglichen Blick für das entschlackte Wesentliche im kunstvollen Gewand.  Songs wie ‚Wide Lovely Eyes‚ transportieren neben einer klerikalen Erhabenheit eine soulige Wärme abseits der stilvollen Sterilität des Albumcovers oder der Errungenschaften von ‚Abattoir Blues/The Lyre of Orpheus‚, mehr an der Intention interessiert eine futuristische Form des meditativen Blues gedeihen zu lassen.

Am deutlichsten tritt dies sicherlich im so schwerfällig wie ausladenden ‚Higgs Boson Blues‚ zu Tage, einer einnehmenden Exkursion über Physik, Robert Johnson und Miley Cyrus mit Cave an der Kanzel. Das offene Klangmeer ‚Mermaids‚ (großartig: „I believe in god/ I believe in mermaids too„) ist dagegen in all seiner melancholische Sehnsucht und Schönheit entrückter Pop. ‚Water’s Edge‚ und das insgeheime Mantra der Platte ‚We Real Cool‚ destillieren mittendrin und obendrein vermutlich all das, was Blixa Bargeld nach ‚Nocturama‚ nicht mehr in der Band erkannt haben könnte: eine unterschwellige Bedrohung geht von den beiden Songs aus, mit beängstigenden Streichereinfällen über den düster brodelnden Bässen; beunruhigende Kompositionen ohne Grenzen gedeihen hier im Zwielicht. Wäre Bargeld noch Mitglied der Bad Seeds, man würde ‚Push the Sky Away‚ wohl attestieren die markante Handschrift des Einstürzende Neubauten- Vorstandes zu tragen. So halt sein Einfluss wie ein Echo vergangener Tage nach, man darf man sich auf Spurensuche in den zahlreichen Soundtrackarbeiten von Cave und Warren Ellis begeben, muss hingegen nach Fingerabdrücken des zurückgekehrten Barry Adamson nicht lange suchen und auch nicht nach dem Raum, den Mick Harvey ungefüllt hinterlassen hat.

And some people say it’s just rock n‘ roll/ But it gets you right down to your soul.“ sinniert Cave letztendlich im an der Grenze zum Ambienttrack schrammenden Minimal-Gospel des Titelsongs. Dabei ist ‚Push the Sky Away‚ so weit von klassischem Rock, verschwitzten Hemden und pumpendem Testosteron entfernt, wie ‚Dig, Lazarus, Dig!!!‚ sich noch in eben diesen Ingredienzien suhlte. Das 15. Bad Seeds-Album ist viel mehr eine unheimlich stille, in sich gekehrte Platte geworden, die sich vor anmutigem Stilbewustsein strotzend von einem dezenten Großtat zur nächsten hangelt. Dass Nick Cave immer dann am besten ist, wenn er die Eindringlichkeit in der Zurückgenommenheit sucht, ist eine weiterverbreitete Ansicht. Und zurückgenommer als auf ‚Push the Sky Away‚ waren er und seine Bad Seeds vielleicht noch nie.

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