Norah Jones – Begin Again

von am 27. April 2019 in Album

Norah Jones – Begin Again

Norah Jones kuratiert auf dem nominell als Album firmierenden Stückwerk Begin Again drei Jahre nach Day Breaks eine unbeständige, leider nur in ihren Ansätzen großartige Songsammlung in EP-Länge.

Dass der Großteil der gerade einmal 29 Minuten und sieben Songs umfassenden Platte schon im vergangenen Jahr als alleinstehende Streams und Singles veröffentlicht wurde, ist exemplarisch: Begin Again fühlt sich nicht als Album an und ist auch als Compilation kein rundes Ganzes, weil es die von Elektronikbastler Thomas Bertlett aka Doveman, Wilco-Ikone Jeff Tweedy und Feingeist Jones selbst betreuten Songs ohne übergeordneten Spannungsbogen nebeneinander stellt und scheinbar willkürlich durchmischt – was bei der mitunter doch konträren Ausrichtung des Materials keinen angenehmen Fluss zulässt.
Das spontane Momentum sollte Begin Again eben als Konzept übergeordnet sein, es gab außer ein paar Voice Memos keine Masterpläne zu den Kompositionen, die jeweils in unter drei Tagen im Studio entstehen sollten, “quick and fun and easy and low-pressure“.

Insofern funktioniert Begin Again eben tatsächlich eher als fragmentarisches Mosaik, zusammengehalten von Jones und ihrer Stimme, dass den Trademarksound der 40 Jährigen quasi aus drei Perspektiven betrachtet – mal näher am Kern, mal weiter davon entfernt.
Ungewohnt experimentell erweist sich dabei gleich der Einstieg. My Heart is Full bewegt sich mit ätherischen pulsierenden Beats vollkommen entschleunigt im Trip Hop und wirkt mit seinen hallenden Vocals, der behutsam kochenden Spannung und wellenförmig beschwörenden, fast nautischen Soundschleifen als ätherischer Geistesverwandter von Fiona Apples The Container. Vor allem aber auch wie der Intro-Opener zu einem gänzlich anderen Album, als letztendlich nachfolgen wird. Am nahtlosesten hätte nämlich nur das ebenfalls von Doveman produzierte Uh Oh den veranschlagten Weg fortsetzen können, das so ähnlich wohl auch von Danger Mouse inszeniert worden wäre. Jones und der Sufjan Stevens-Produzent erinnern hier an die jüngsten Massive Attack-Schwärmereien als winterlich-mystische, von Streicher ausgeschmückte Elegie – deren mit Autotune bearbeitete Stimme am Ende man sich sparen hätte können.

Als zweiter externer Produzent kommt Tweedy der angestammten Komfortzone von Jones deutlich näher. In A Song With No Name erkennt man seinen Einfluss dennoch absolut. Die Gitarre Tweedys spielt im Mix auf auf Augenhöhe mit Jones, zusammen transportieren die beiden eine stille Sehnsucht, so traurig wie hoffnungsvoll. Schade nur, dass die Nummer einfach ausfaded. Wintertime bewegt sich dagegen wie eine Grazie von Feels Like Home, flirtet mit latentem Country, die Gitarre ist akzentuiert, sogar ein bisschen kantig.
Noch puristischer agieren Begin Again und It Was You. Der eine ist munterer Jazzpop, loungig-flanierend, samt einem auf angenehm subtile Art dramatisch-elegantem Piano und latent verführerischem Groove. Der andere ist noch mehr Signature Sound, wie man ihn von Jones kennt und liebt, sanft und kraftvoll, ein bisschen melancholisch und bittersüß. Vor allem aber wunderschön, wenn die romantische Begleitung der Dap-Kings Dave Guy (Trompete) und Leon Michels (Saxofon) sowie dezenter Rhodes-Einsatz sich vorsichtig an die Nummer schmiegen, die organische Produktion sich mit viel Gefühl ausbreitet.
Und dann beendet Just a Little Bit Begin Again an der Schnittstelle zwischen den stilistischen Polen. Mit wummerndem Bass, Stimmeffekten und wärmenden Bläsern, bauchigen Beats, einem stellar schimmernden Synthieteppich, ein bisschen reserviert, kühl und distanziert – kurz: wie produktionstechnisch-elektronisch verfremdeter Mitternachtsjazz. Der Bogen zum Opener wird damit aber nur theoretisch gespannt: Begin Again ist ohne einen auch nur ansatzweise schwachen Song frustrierend unausgegoren, zerrissen und notdürftig zusammengefügt. Wenigstens eine geschmeidigere Anordnung der Trackliste hätte zumindest einen zusätzlichen Punkt in der Bewertung bedeutet. So aber bleibt der Eindruck einer überhasteten, zu wenig sorgsam, liebevoll und geduldig vermengten Wahllosigkeit mit starkem Potential in zweieinhalb Ausrichtungen.

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