Nuvolascura – As We Suffer From Memory And Imagination

von am 21. Juni 2020 in Album

Nuvolascura – As We Suffer From Memory And Imagination

Im sowieso so starken Screamo-Jahrgang 2019 war das selbstbetitelte Debüt von Nuvolascura (zumindest nominell nicht aus dem Stand heraus) das Highlight. Nur knapp 17 Monate später ist der Nachfolger As We Suffer From Memory and Imagination dieser Vorgabe zumindest ebenbürdig.

Das Zweitwerk der Band aus Los Angeles nimmt dafür die Vorzüge des Einstandswerkes – impulsive Songstrukturen in einem chaotisch übersprudelndem, kaum zu bändigenden Wirbelsturm aus energischen Ideen im Spannungsfeld aus vom Math attackierten Gipfeltreffen aus Screamo und Emoviolence, in Form gegossen von einer furiosen Performance rund um die grandiosen Texte von Frontfrau Erica Schultz, deren hyperventilierend attackierte Stimmbänder noch immer zum eindringlichsten gehören, was die Szene zu bieten hat – lässt diese aber von Jack Shirley in einen polierter produzierten und klarer gemixten Sound übersetzen. Was so schon passt – es entsteht eine schärfer konturierte Intesität, ein gebündelterer Fokus.
Nachzuhören etwa in Apyrexy, der
idealen, weil As We Suffer From Memory And Imagination mit griffiger Auftrittsfläche so zugänglich repräsentierenden ersten Single, der man höchstens vorwerfen muss, dass der sporadische eingeworfene, nicht geschrieende, verzweifelte Klargesang leider ein falsches Versprechen für das restliche Gefüge ist – hier addiert Erica eher eine individuelle zusätzliche Facette, deren Lohne ja der Nachfolger der Platte einheimsen wird. Oder noch markanter Pixel Vision Anxiety, dem Quasi-Hit, der seine dominante Gitarre mit einer frontal-eingängigen Direktheit schlängelt und wohl künftig als eines der besten Argumente dienen wird, um Neulinge im Nuvolascura-Kosmos anzufixen.

Und obwohl die Evolution der Band durch die Inszenierung und auch durch derartig explizite Aushängeschilder immanent ist, wirkt As We Suffer From Memory And Imagination doch auch immer noch wie ein Übergangswerk, das die Wirkungskreise von Nuvolascura noch weiter strecken möchte. Alleine, wenn das minimalistische Frequenz-Suchen Irreversible Crying Spell sowie das morsende Ceaseless Memories of Seperation als reine Interludes nur dem übergeordneten Spannungsbogen und Fluß der Platte dienen, wie auch das Who Knows What You Deserve als umsorgendes Instrumentalstück ohne Twist (im Gegensatz zum ähnlich veranlagten Essentially a Vivisection, das lange so friedlich sinnierend dem Melodic Hardcore a la Touché Amoré folgt, bis die Lage manisch eskaliert) primär an stimmungsvoller Atmosphärearbeit interessiert ist.
Zumal eine solche allgemeindienliche Kontextarbeit dazu beiträgt, das selbst relativ typische, wenige Risiken eingehende Nummern wie Now It’s Clear ihre Stärken zeigen dürfen.

Der Rest ist quasi ein Schaulaufen versierter Expertise, gerade Eingangs. As the Mask Begins to Slip kommt aus der Melancholie, detoniert dafür umso manischer mit einer hysterischen Dramatik in den Gitarren, das zurückgenommenere Disguised in Scintillations lässt die Vocals in einer Klammer den nachdenklichen Flanierens immer weit in den Hintergrund tauche. Victory Position besticht durch kompakt aufgerauhtes Riffing und For Their Own Diversions als rhythmischer Husarenritt mit geschleuderten Stakkatos – liebäugelt die Band da gar mit feisten Breakdowns?
Ceaseless Memories of Seperation packt hinten raus die vertrackte Griffbrettakrobatkl aus und We’ll Never Know the True Extent of Our Loss gönnt einem schweißtreibenden, aber dynamisch gekonnt ausbalanciertem Album ein erholsames Gitarrengeplänkel in imaginativer Weite.
Das alles ist vielleicht nicht revolutionär oder makellos, aber zu jeder Sekunde emotional packend und so unbedingt mitreißend, dass man sich geradezu süchtig immer wieder in diese Katharsis stürzen will. Berauschender ist da eigentlich nur die befriedigende Wirkung, die As We Suffer From Memory And Imagination schon dadurch entwickelt, dass eine junge Band die in sie gesetzten hohen Erwartungen derart mühelos stemmt.

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