Omar Rodríguez-López – Sworn Virgins

von am 20. Juli 2016 in Album

Omar Rodríguez-López – Sworn Virgins

Manch einer soll sich bereits sorgen um die Output-Frequenz von Omar Rodríguez-López gemacht haben – immerhin sind zwischen Sworn Virgins und seinem offiziellen Vorgänger ¿Sólo Extraño? unsagbare 3 Jahre vergangen.

Es darf angesichts des nun wieder rapide nach oben gesetzten Taktes an Soloveröffentlichungen wohl durchaus spekuliert werden, ob es auch Rodríguez-López selbst beunruhigt hat, dass er in dieser Zeitspanne (unter anderem) gerade einmal an Arbeiten mit Bosnian Rainbows, Les Butcherettes und Antemasque beteiligt war oder sogar eine langfristige Reunion von At the Drive-In mitinszeniert hat. Immerhin öffnet der 40 Jährige im zweiten Halbjahr 2016 die Schleusen seiner Arbeitskammer selbst für seine Verhältnisse äußerst freizügig und macht angestautes Material in einer erschlagenden Fülle zugänglich, die für die nächsten sechs Monate nicht weniger als schlappe zwölf neue Alben ankündigt.

Ein Dutzend, das die Discografie des Multiinstrumentalisten als Puerto Rico weiterhin als ausufernde Plattform für nimmersatte Hardcorefans und treue Liebhaber der ungefiltert hinausgeschossenen Ideensammlungen ausfüllen wird, soviel ist schon nach Sworn Virgins klar. Über elf Songs zirkelt Omar Rodríguez-López hier seine verspulten, mit Keyboardeffekten unterfütterten Artrock-Konstruktionen, die bisweilen nicht darüber hinaus kommen anstrengende Klangcollagen abzulichten (Saturine), zumeist hinter den demonstrativ zerfahrenen Spinnereien und drangsalierenden Hirnfick-Aktionen aber eben doch tatsächliche Songs versteckt haben. Nicht selten wünscht man sich auf Sworn Virgins allerdings, diese in die konventionelleren Bahnen von Rodríguez-López‘ Bandprojekten überführt zu hören. Wohin hätte dort etwa der fast schon poppig schmissiger Waverock von To Kill A Chi Chi führen können, wohin der schön zackig-verquer nach vorne ziehende Sphäre-Trip Trick Harpoon Stare Of Baby? Vielleicht sogar gar in relative Hitgefilde, sicher aber zu noch zwingenderen Songs an sich.
Mutmaßungen, die offen bleiben. Omar tickt nämlich weiterhin anders und macht deswegen schon einmal aus zwei Songs bei Gelegenheit auch einfach einen einzigen: Das eröffnende Pineapple Face gibt mit Hall-verfremdeten Vocals als vertracktes Stück Noiserock, der sich an einem kompliziert-anstrengenden Rhythmusgerüst samt ausfransendem Gitarrensolo entlanghangelt, nicht nur die Richtung der gesamten Platte vor, sondern verschmilzt auch nahtlos mit dem nachfolgenden Not Even Toad Loves You – lässt aber offen, wohin das alles tatsächlich führen soll; Crow’s Feet sampelt dagegen John Lennon und mutiert zu einem abgefahrenen Austicker, der erst über Heart Mistakes wieder nach Hause findet; und auch Fortuna und Twice A Plague sind eigentlich eine Einheit, aber durch Trackmarks und Titel getrennt.

Hier ist eben alles ein Rausch, ein verschwimmender, polarisierender Tüftelkasten, dessen Sound sich hypnotisch entfalten kann und dennoch immer ein wenig die Nervenstränge attackiert, sich zudem hinten raus in einer monoton langweilenden Hibbeligkeit zu verlieren droht. Wie schon bei den meisten Vorgängerplatten gilt deswegen: Die richtige Stimmung für derartige Kunststücke ist einfach die unbedingte Grundvoraussetzung, um sich wieder in die Experimente des Getriebenen einzuklinken.
Dass Rodríguez-López darüber hinaus gefühltermaßen auch einen expliziten Bogen zu jenem Moment spannt, als sein Soloschaffen in die Phase mit Bosnian Rainbows übergeglitten ist, liegt zu einem Gutteil auch an Kooperationspartner und Ausnahmedrummer Deantoni Parks, der für Sworn Virgins aus seinem spartanischen Drumkit wieder gefinkelt-frickelnde Rhythmen hechselt, die verschrobenen Kompositionen mit Synthies und Samples attackiert, damit auch auf seine eigenen Spielwiesen verweist und dem Startschuss dieser Albenserie seinen Stempel aufdrückt.
Die Entscheidung des Duos, seine Exkursionen mit knapp 36 Minuten Spielzeit angenehm kompakt zu halten, erscheint dann vor allem auf lange Sicht vernünftig: Der Wiedereinstieg in die Klangwelten von Rodríguez-López gerät hiermit so kräftezerrend wie einnehmend, vor allem aber ist die Vorfreude auf die kommenden elf Werke hiermit anstandslos geweckt. Dass Sworn Virgins vorerst nur digital erhältlich ist, in absehbarer Zukunft wohl nur noch eine limitierte CD/LP-Veröffentlichung erfahren wird und noch später in einer (wohl trotz Ipecac nur bockteur aus den USA zu beziehenden) Komplettbox aller Veröffentlichungen aus dem Jahr 2016 zu finden sein wird, könnte sammelwütigen Rodríguez-Lópezologen allerdings Kopfzerbrechen bereiten.

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