Pearl Jam – Lightning Bolt

von am 11. Oktober 2013 in Album

Pearl Jam – Lightning Bolt

Pearl Jam rocken auch auf ‚Lightning Bolt‚ wieder stilvoll gegen das Älterwerden an: abwechslungsreicher und tiefgründiger als das enttäuschend aus der Hüfte geschossene ‚Backspacer‚, aber deswegen nicht besser zum Klassiker geeignet. Eine souveräne Angelegenheit ohne magische Momente, routiniert mit der gewohnten Klasse nach Hause gespielt.

Ihr zehntes Album knüpft mit ‚Getaway‚ beinahe nahtlos dort an, wo Pearl Jam spätestens 2009 die ansonsten stets vorhandenen unsterblichen Momente gegen unspektakulär kompakte Rocksongs eingetauscht haben: ein knackiger, grundsätzlich simpel gehaltener Dreieinhalbminüter eröffnet da, so schnörkellos wie hochmelodiös nach vorne gehend und vor allem von Eddie Vedders kraftvollen Gesang profitierend. In ähnlich geziemt headbangender Manier ist das folgende ‚Mind Your Manners‚ das Update von ‚Brain of J.‚ und ‚Do the Evolution‚, ‚Spin the Black Circle Again, quasi, mit einem Schuß domestizierter Motörhead: unspektakulärer, aber versierter Rock, mit dem sich die vital auf die 50er zueilenden Ikonen selbst Feuer unterm Hintern machen und dem eigenen Alterswerks konsequent auf der Überholspur begegnen. Noch stärker: das dynamische ‚My Father’s Son‚ mit seiner butterweich gleitenden Bridge. Ein rasanter Start in die neue Platte ohne übermütig zu werden, mögen auch andere mittlerweile klar aufregender agieren.

Mit dem irritierend konventionell für den Radiomarkt aufbereiteten halbakustischen ‚Sirens‚ bremsen Pearl Jam die flotte Eingangsphase danach aber ohnedies ab, werden gemächlicher und weniger Rock’n’roll-ig, servieren eine gefühlvolle Ballade, die von Vedder getragen und McCready geadelt wird. Ein betörend eingängiges Stück sicherlich, ein Hit wahrscheinlich auch, allerdings eben an vergangenen Konsens-Großtaten nicht herankommend. Nach knapp 15 Minuten auf ‚Lightning Bolt‚ darf man allerdings ohnedies bereits ahnen: die wirklich herausragenden Momente, die unsterblichen Hymnen und unbedingten Gänsehautmomente wollen Pearl Jam zum (je nach Zählweise) dritten Mal in Folge nicht gelingen. Wirkliche Ausfälle sucht man auf Album Nummer Zehn allerdings ebenfalls vergeblich, selbst wenn sich das vorhersehbar wirkende, aber angenehm behutsam stampfende ‚Sleeping by Myself‚ (der unvermeidbare Vedder-Solosong – von ‚Ukulele Songs‚ – hier im zurückgenommenen, leidlich notwendigen Bandgewand aufbereitet) und die abschließende Schmachtballade ‚Future Days‚ mit seinem sülzigen Meat Loaf-artigen Brendan O’Brien-Piano als potente Tiefpunkte der Platte qualifizieren.

Daneben fächern Pearl Jam ihr Songwriting wieder vielseitiger auf als in den letzten Jahren, lichten sich abwechslungsreich von ihren zahlreichen Schockoladenseiten ab. Neben weiteren gefälligen Midtempo-Rockern (der mitreißende Titelsong) finden sich auf ‚Lightning Bolt‚ deswegen episch angelegte Träumereien inklusive wohliger Orgelschwaden und souliger Backingchören (‚Infallible‚), die angekündigte nachdenkliche Düsternis in musikalischer Form, abseits der textlich allgegenwärtigen Schwere (‚Pendulum‚), munter feiernder blueslastigen Countryrock, der so auch auf Stone Goassards aktueller Soloplatte nicht gestört hätte (‚Let The Records Play‚), wunderbar melodieseliger Poppigkeit (‚Swallowed Whole‚), oder majestätisch motivierte Atmosphärearbeit mit Classic-Appeal (‚Yellow Moon‚).

Vier Jahre nach ‚Backspacer‚ glätten Pearl Jam damit die Täler zwischen Ausnahmesong und schwächelndem Füllmaterial mit dem erhofften Qualitätsanstieg – selbst wenn dieser dezenter ausgefallen ist, als man sich das wünschen durfte. Auf breiter Basis aufgestellt ist auf ‚Lightning Bolt‚ keine tatsächlich enttäuschende Nummer vertreten, dafür allerdings auch keine atemberaubende, dazu nichts, dass annähernd überraschenden könnte: Pearl Jam haben ein grundsolides Pearl Jam-Album aufgenommen, kurzweilig und unterhaltsam, dass die Band als mit sich selbst im Reinen ablichtet. Neue Fanscharen wird das nicht rekrutieren, vielleicht sogar einige langjährige Begleiter langweilen. Aber spätestens wenn ‚Lightning Bolt‚ sich nicht und nichts aus der Heavy Rotation verabschieden will, kann die Erkenntnis nur lauten: ihre Meisterwerke haben Pearl Jam längst abgeliefert, und bessere Erbverwalter als die Mannen um Vedder selbst könnte man sich jedoch auch ohne Fanbrille kaum wünschen.

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