Pusha T – It’s Almost Dry

von am 3. Mai 2022 in Album

Pusha T – It’s Almost Dry

It’s Almost Dry – aber eben wirklich nur almost: Vier Jahre nach Daytona ist Pusha Ts prolongiertes nächstes Meisterwerk tatsächlich auf dem bestem Weg dorthin, bringt seine Kasse dann aber doch nur beinahe in trockene Tücher, und fühlt sich letztendlich einfach unrund an.

Was wohl an einer ambivalenten Grundsatzentscheidung liegt, die Terrence LeVarr Thornton im Vorfeld seines vierten Studioalbums traf: Anstatt eine lose Ladung von Beats als Rohbau zu verwenden, die Großmeister Madlib zur freien Verfügung stellte, wollte King Push lieber von strengerer, konkreterer und vor allem präsenterer Hand produziert werden und überließ je die Hälfte von It’s Almost Dry der Produktion von Pharrell Williams auf der einen, und Kanye West auf der anderen Seite – was sich mittlerweile übrigens auch in einem alternativen Tracklisting niedergeschlagen hat.
Tatsächlich bedeutet diese betreuungstechnische Entscheidung jedoch vor allem, dass sich Pusha T dazu entschlossen hat, seine Komfortzone mit Sichherungsseilen zu verwalten: anstatt mit Madlib, höherer Eigenverantwortung und viel Freiheiten ins kalte Neuland-Wasser zu springen, und mutmaßlich ein potentiell geniales Gipfeltreffen zu provozieren, genügt es ihm, ein Schaulaufen im relativ vertrauten Territorium zu veranstalten, bei dem ihm seine zwei Produzenten je sechs komfortable Machtdemonstrationen auf den Leib schneidern, ohne ihn jedoch wirklich herauszufordern.

Diese Doppelspitze hinter Push führt phasenweise sogar zu einem erstaunlich homogenen Kräftemessen, aber meistens zu einem, das nie restlos auf eine Linie findet und ein dualistische Synergie bleibt, bevor It’s Almost Dry in seinem drittem Viertel merklich an Spannung verliert und entlang der (je nach Blickwinkel immer noch sehr kompakten, oder gemessen an der beiden Vorgängern elaborierten) Spieldauer Längen zeigt: Call my Bluff ist für sich genommen ein sehr okayer Track, mit solider Strophe und schwachem Chorus, im Kontext aber ein ärgerlicher Bruch, der im halluzinogenen Minimal-Wummern wie eine B-Seite von Vince Staples klingend den einzigen Ausfall des Werkes liefert, jedoch auch das nachfolgende Scrape It Off beeinträchtigt, zumal das perlende Club-Lullaby einfach zu lange ausgefallen ist.
Auch danach kann It’s Almost Dry mit seinem Abgang – nämlich Hear Me Clearly als sinister-dunkler Neon-Druck in Lauerstellung, mit seinen organischer scheppernden Drums als verschwommener Remix eines unaufdringlichen Alptraums aus den 80ern; dem unaufgeregt flötierenden, mit seinem langsam eingeflochtenen Chor als schönen Akzent bestechenden Open Air; sowie dem No Malice-Brudertreffen I Pray For You, das soulig orgelnd mit oszillierend-schiebender Geduld klerikale Größe skizziert) ungeachtet aller Leistungssteigerung kein restlos zwingendes  Momentum mehr kreieren, zeigt im Spielfluß zerfahrene Klasse, wiewohl das Sequencing hier doch endgültig anmutet, als würde eine Hand nur ungefähr wissen, wo die andere hinwill. In Summe stellt It’s Almost Dry deswegen trotz immer noch starker Einzelsongs durch seine strukturellen Schwächen und holprigen Schnittstellen nie das große ganze auf das Podest, überwältigt nicht als das das prolongierte Meisterwerk…

… zu dem die auf einem drogengefluteten Foto von Lana Del Rey angekündigte Platte in ihrer überragenden ersten Hälfte eben doch erst einmal weitestgehend unterwegs ist; das Niveau zeigend, um neben Daytona nicht zu verblassen und einen zeitlosen Anspruch zu erfüllen – die trocken repetierte, aus dem Soul klimpernde Single Diet Coke fußt nicht umsonst auf einem 18 Jahre alten Beat von 88-Keys und wirkt von Kanye heute trotzdem so modern wie altersresistent in Form gegossen.
Das subkutan wummernde, seinen Bass und Rhythmus physisch werden lassende Brambleton gibt die minimalistische Stripped Down-Handschrift von Williams vor, deren retrofuturistisch-düster funkelnde RPG-Anachronismus-Synthies gedankenverloren abholen und in den Magen fahren, zudem ideal in die hart geloopte Prägnanz der Glanztat Let the Smokers Shine the Coupes lenken. Neck & Wrist pulsiert grimmig, traumwandlerisch, bevor Jay-Z einen latent crazy Vibeauf den Autopilot schnallt.
Rock n Roll kommt einer Kooperation von West und Williams am nächsten, nutzt ein Sample von Beyoncé und bringt ein letztes Mal das ehemalige Dreamteam Kid Cudi und Ye auf der Featureliste zusammen, für ein fett am Trap-Drama engelehntes Stück mit gepitchten Vocals und Synthrpck-Textur. In Dreamin of the Past bedient sich West dagegen an Donny Hathaways Cover von Jealous Guy, um ein bisschen legendär so übermütig-verspielt wie eine Cartoon-Saloon-Version eckig zu rollen, wohingegen Just So You Remember sich nicht an einem Sample verhebt, das eigentlich untrennbar mit DJ Shadow verbunden ist: ideal sparsam dosiert, aufgeräumt, effektiv und präzise, dominieren Bass und Persuccion den Hintergrund eines hier wie überall zuverlässig aufzeigenden King Push, dem ewigen Kokain-Dealer: „Just so you remember who you dealing with.
Was so auch für Push selbst gilt. Hätte er stärker selektierend nur diese besten der vorhandenen Tracks genommen, müsste man sich über den Verlauf von 36 Minuten nicht doch immer wieder Was-wäre-Wenn-Fantasien hingeben – die Farbe wäre einfach trocken, die Strahlkraft noch überwältigender.

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