Record Store Day 2015

von am 28. April 2015 in Sonstiges

Record Store Day 2015

Während Foo Fighters-Boss Dave Grohl die Werbetrommel rührt, sich Tool-EPs in U2-Alben schleichen und die White Stripes die bestverkaufte Platte des Events vorlegen mehren sich längst kritische Stimmen zum Ablauf des allgemeinen Prozedere des Record Store Day, dessen zugrunde liegende Idee längst pervertiert scheint. Abseits der phasenweise horrenden Preisentwicklungen lohnen dennoch wieder einige Veröffentlichungen die Jagd.

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Metallica - No Life Til Leather  Metallica – No Life Til Leather

Lars Ulrich sieht im diesjährigen Record Store Day eine ideale Möglichkeit, um damit zu beginnen den Metallica-Backkatalog von ganz vorne neu aufzurollen: „It’s time for us to put out some next-level reissues and do the song and dance of the catalog that everyone else has done; the U2s and the Led Zeppelins and the Oasises […] Instead of starting with Kill ‚Em All in 1983, we figured we’d go back another two years to when the band was formed in 1981.
Damals waren neben James Hetfield und Ulrich noch Leadgitarrist Dave Mustaine und Basser Ron McGovney (obwohl in den Linernotes bereits Cliff Burton verzeichnet ist) an Bord, der Sound noch nicht so radikal wie auf dem bald folgen sollenden Studiowerk, aber ‚Kill ‚Em All‚ bereits in greifbarer Nähe: alle hier aufgefahrenen Songs sollten sich auch auf dem Debütalbum der Thrasher finden, wenngleich der Mustaine-Song ‚The Mechanix‚ mit anderen Lyrics erst zu ‚The Four Horsemen‚ umgebaut werden musste und sich ohnedies einige Unterschiede zu den letztendlich veröffentlichen Nummern finden lassen, alleine bei Hetfields Gesang.
Die Hard-Fans haben das nach zwei halbseiden-illegalen Releases nun erstmals offiziell veröffentlichte  Demotape ‚No Life Til Leather‚ zwar vermutlich bereits als Bootleg in der Sammlung stehen, im neu gemasterten und sehr schön restaurierten Klang-Gewand macht es allerdings doch nochmal mehr Freude sich auf Spurensuche bei den Anfängen der Band in ihrem kurzlebigen Original-Line-Up zu begeben. Im Rahmen des Record Store Day erscheint ‚No Life Till Leather‚ übrigens nur auf dem vielleicht unpopulärsten Medium für den Massenmarkt, der Kassette. Weil Metallica eben eine Geldmaschine sondergleichen sind, spart man sich die im Sommer kommenden, wirtschaftlich zugkräftigeren „expanded versions […] on CD, vinyl and a collector’s set“ für die Kundschaft abseits der kleineren Plattenläden auf.

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Run the Jewels - Record Store Day Release  Run the Jewels – Record Store Day Release

Bevor Run the Jewels mit Meow the Jewels‚ alles bisher Dagewesene auf den Kopf stellen werden, servieren sie zum Record Store Day vordergründig altbekanntes: eine 12″ mit vier Tracks, von denen nur ein Song bisher unveröffentlicht ist. Weil das außerdem vorhandene ‚Pew Pew Pew‚ (featuring Dj Qbert) aber bisher nur auf der europäischen Version von ‚Run the Jewels‚ zu finden war und ‚Blockbuster Night Part 2‚ mit Despot and Wiki als iTunes-Bonustrack für das letztjährige ‚Run the Jewels II verbraten wurde, werden zahlreiche Fans der Band – vor allem all jene, die sich nicht jede Version der beiden Studioalben kaufen wollen – mit dieser Compilation durchaus ihre Freude haben. Das bisher unveröffentlichte, smoothe ‚Bust No Moves‚ ist als primärer Kaufanreiz eine durchwegs solide Angelegenheit, fügt sich als retrofuturistisch pulsierender Track auch nahtlos in das restliche Repertoire von Killer Mike und El-P. Dass die unzensierte Version des weithin bekannten ‚Run the Jewels II‚-Songs ‚Love Again [Akinyele Back]‚ hier noch einmal aufgefahren wurde, wirkt hingegen dezent willkürlich und schmälert das ansonsten sehr gute Gesamtbild auch ein wenig.

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OFF! - Live from the BBC  OFF! – Live from the BBC

 Live-Veröffentlichungen von Keiths Morris‘ Hardcore Jungbrunnen sind ja keine Seltenheit. ‚Live from the BBC‚ sticht zwar dennoch hervor – es ist alerdings durchaus streitbar, wenn da vollmundig von „the band’s best live recording yet“ die Rede ist: der Sound ist einerseits deutlich besser als auf dem noch umfangreicheren ‚Live at the 930 Club‚, dieselbe Räudigkeit wie auf der vergleichsweise ungeschönten LoFi-Angelegenheit aus dem Jahr 21013 strahlt der ausgelassene Tumult andererseits nicht aus. Hier hat man es eben in gewisser Weise mit einer typischen BBC-Studios-Live-Platte zu tun, der man in einem dezent steril wirkenden Panorama das fehlende Publikum einfach anmerkt. Die Band aus Los Angeles war im Anschluss an ihre ausverkaufte UK-Tour im letzten Jahr dennoch in bester Spiellaune, als sie für eine Session in die legendären Maida Vale-Studios gebeten wurde. Weswegen aus einer Handvoll Songs gleich mal ein 10 teiliger Rundumschlag durch ‚First Four EPs‚, ‚OFF!‚ und das aktuelle ‚Wasted Years‚ wurde. Selbstredend, dass ‚Live from the BBC‚ dennoch in 16 Minuten ins Ziel brettert. Insgesamt eine schnörkellose Sache – wie jede Veröffentlichung der Band. Hardcore-Sammler greifen bei einer der 5000 Vinylplatten also zu.

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Stone Sour - Meanwhile in Burbank Stone Sour – Meanwhile in Burbank

Wo der Reiz liegt, einen Song möglichst nahe an seinem Original nachzuspielen, darüber darf man freilich diskutieren. Die erste in einer Reihe von insgesamt drei Cover-EPs aus dem Hause Stone Sour führt jedenfalls vor, dass Corey Taylor und seine neu formierte Band ihre Interpretationen diverser Metal-Klassiker (von denen auf der letzten Tour auch alle im Live-Programm zu finden waren) genau auf diese Weise angehen. Was im Grunde leidlich spannend und nie auf Augenhöhe mit den Originalen ist, aber eben auch souveräne Handwerksarbeit. ‚We Die Young‚ (Alice In Chains) kopiert Staley und Cantrell mit mehr Stadion-Kompatibilität, ‚Heading Out To The Highway‚ (Judas Priest) wirkt etwas müde und zeigt, dass Taylor noch so ein guter Sänger sein kann – an Rob Halford scheitert er. ‚Love Gun‘ fehlt dann die aufgegeilte Potenz der Kiss-Version, aber wie seine vier daneben aufgefahrenen Songkollegen kann man sich durchaus vorstellen, wie gut die Nummer Stone Sour auf der Bühne in die Karten spielt. Überhaupt muss man der Band zugute halten, dass sie sich hier eigentlich nur Kompositionen vorgenommen haben, an denen man sich zwangsläufig verheben muss – Stone Sour verlassen das Feld dennoch erhobenen Hauptes. Es passt also durchaus, dass Metallicas ‚Creeping Death‚ dafür zum Middle of the Road-Hardrock ohne Badass-Faktor wird und ‚Children Of The Grave‚ (Black Sabbath) einen bisweilen prolligen Charakter bekommt. Man hört, dass Stone Sour die gecoverten Songs viel bedeuten, während ‚Meanwhile in Burbank‚ den Erwartungen entsprechend abliefert. Am Ende steht ein nette Interimsveröffentlichung – von Fans, für Fans.

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The Ataris - Record Store Day 2015 The Ataris – Record Store Day 2015

Dem preistreibenden Ausverkauf des an sich noblen Grundgedankens hinter dem Record Store Day kontern Kristopher Roe und seine aktuelle Hintermannschaft, indem sie den Tag der unabhängigen Plattenläden auf erfreulich paradoxe Art begehen: ‚Record Store Day 2015‚ gibt es nicht physisch zu erwerben, sondern ab €0,- im Bandcamp der Band aus Indiana herunterzuladen. Ob man das nun als reinen Dienst am Fan, als charmante Kritik an den Ist-Zuständen des dritten April-Samstag jeden Jahres, als Vorboten eines kommenden Digital Record Day oder schlichtweg als Roe’s Weg sich vor der Fertigstellung des seit Jahren angekündigte sechsten Ataris-Studioalbum zu drücken sehen will, ist im Grunde nebensächlich. Was zählt ist: die 17  teilige „collection of new songs, demos, b-sides, instrumental tracks and one live song“ ist schlichtweg eine enorm erfreuliche Angelegenheit, die stilistisch breit aufgestellt zahlreiche grandiosen Song in petto hat, selbst, wenn man ‚Hang Your Head in Hope‚, ‚All Souls Day & Graveyard of the Atlantic‚ und sonstige Veröffentlichungen bereits kennt.
Fast Times at Dropout High‚ liebäugelt etwa mit der Weite des Postrock, ‚12.15.10‚ ist dagegen ein episches Stück Punkrock, das Against Me! so nur auf ‚New Wave‚ gelingen hätte können. Das verwaschene ‚I Fell in Love With an Opiate Sun‚ geht hingegen als astreiner Shoegaze-Ausflug durch, ‚Slow Drone‚ folgt seinem Titel und positioniert sich dennoch in der Nähe von Twin Peaks.
Vor allem aber sind es wieder die zurückgenommenen Stücke, in denen Roe glänzt: ‚A City of Forgotten Words‚ hat seine Lektionen bei Bruce Springsteen gelernt, für ‚You and Your Perfect Li(f)e‚ würde Gaslight Anthem Boss Brian Fallon heutzutage wohl töten und die abschließende Demo von ‚I.O.U. One Galaxy‚ stellt noch einmal großes Herschmerz-Kino in Aussicht.
Die drei Coversongs sind dazu allesamt makellos geraten – ‚Soul and Fire‚ von Lou Barlow’s Sebadoh tänzelt als reduzierte Akustikballade durch ein emotionales Minenfeld, ‚From a Tower‚ von Thorns of Life öffnet sich hinten raus dramatisch und das nostalgische Phil Spector-Sehnsuchtsstück ‚I Love How You Love Me‚ von den Paris Sisters schunkelt in tiefen Sepia-Tönen – während man auf die beiden soundtechnisch mühsamen Liveaufnahmen durchaus verzichten hätte können. Den Anspruch eine vollends runde Angelegenheit zu sein stellt ‚Record Store Day 2015‚ dann aber ohnedies nicht. Stattdessen gibt es hier den großen, wahllos sortierten Frühjahrsputz an angestautem Material, bevor die Fertigstellung von ‚The Graveyard of the Atlantic‚ [dem Album] hoffentlich bald mal in die Zielgerade einbiegen wird.

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