Sally Anne Morgan – Thread

von am 13. November 2020 in Album

Sally Anne Morgan – Thread

Sally Anne Morgan macht auf ihrem Solodebüt Thread keinen Unterschied zwischen dem Folk der Appalachen und jenem der englischen Küsten, oder zwischen dem Gestern und Heute.

Die neben Black Twig Pickers, House and Land und als Kooperationspartnerin von Sarah Louise offenbar immer noch Zeit findende Morgan ist dabei durchaus als Traditionalistin einzustufen, wie alleine der  weit in die Vergangenheit zurück blätternde Songbook-Rahmen des Sammelsuriums Thread aufzeigt.
Das aus der Zeit gefallene Polly on the Shore kann man etwa spätestens in der Interpretation aus dem Nachlass von Fairport Convention kennen, obgleich Morgan aus der Nummer mit beinahe keltischem Ambiente am Banjo einen zarten tonalen Morgentau mit aufgeräumter Reduktion arrangiert, der mit so versöhnlich offenen Horizont dahinläuft, dass der grandiose Opener anderswo auch das freiheitsliebende Finale ohne tatsächliches Ende sein hätte könnte.

Dass die abschließenden drei Nummern der Platte dann ebenfalls Fremdkompositionen behandeln, muß man  wohl selbst als Genre-Freund nicht zwangsläufig erkennen, so sehr macht Morgan sich die Stücke bewandert und ohne scheinbare Anstrengung zu Eigen: Das Instrumental Sugar in the Gourd rekonstruiert Authentizität, die sich bis 1880 zurückverfolgen lässt, bleibt lebendig und keck aber der ein wenig aufdringlich der schabende Schwachpunkt der Platte, während das wundervolle Wagoner’s Lad traurig, jedoch mit anmutiger Haltung minimalistisch gespielt manchmal zum Stillstand zu kommen scheint, bevor die Grillen in Einsamkeit zirpen und Annachie Gordon als perlende Schönheit geradezu modern eine Aufbruchstimmung labsalt, die angesichts des ansonsten so barrierefrei schwelgenden Inszenierung einen vergleichsweise abrupten Ausstieg pflegt.

Am besten ist aber eigentlich ohnedies, was Morgan zwischen diesen Songs an eigenem Material zaubert. Garden Song lädt über einer dynamisch gezupften Akustikgitarre von der Violine begleitet in einen Ohrwurm, der angesichts seiner repetitiv-hallenden Natur („Everything is green inside my garden, garden, garden/ Nothing is a weed inside my garden, garden, garden“) eigentlich nerven müsste, aber wie alles hier so friedvoll und wohlig verführt und Morgans Stimme als bittersüßen Schlüssel einsetzt.
Den benötigen Sheep Shaped (ein lebendig fidelnder Tanz auf einem unteren Deck der Titanic) und Ellemwood Meditation (die gedankenverlorene Piano-Melancholie tröpfelt nachdenklich, die Violine begleitet, irgendwo zwischen Strait Story und dem schüchternen Sonnenlicht von Everybody‘s Gone the the Rapture) zwar nicht, die irgendwo abgeklärte Naivität der Songs bekommt aber erst durch den Gesang und die Texte ein einendes, imaginatives Wesen.
Es ist also große Klasse, wenn Wintersong angenehm beruhigend das mystisches ohne Aufregung die Welt holt („Saw a night creature in the morning/ She saw me and kept on walking“) oder Thread Song als ewiger Walzer schunkelt und sein begnadetes Instrumentarium auf Wanderschaft schickt.
Auch ohne Magie oder einen übergeordnet-kohärenten Spannungsbogen würde man es sofort glauben, wäre dies eine solcher in Vergessenheit geratener Zeitdokumente wie etwa Sibylle Baiers einmaliger Anachronismus Colour Green.

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