Scraps of Tape – Sjätte Vansinnet

von am 26. Februar 2014 in Album

Scraps of Tape – Sjätte Vansinnet

Schon im Press-Release für ihr neues Album zeigten sich Scraps of Tape enorm selbstsicher und warfen mit verschiedensten Superlativen [one of the very best Sweden has to offer / melodies to kill for / ridiculously awesome rock music] um sich – gewagte Ansagen, über die sich definitiv streiten lässt.

In den ersten Sekunden des Albums könnte man meinen, man sei an den Opener des letzten Streichs der schottischen Band The Unwinding Hours geraten – war dieser jedoch eine glatte Finte, die einen zunächst euphorisch stimmte und dann das ganze Album hindurch wieder einen solchen goldenen Moment herbeisehnen ließ, so wird einem auf ‚Sjätte Vansinnet‚ [zu deutsch: Der sechste Wahnsinn] ein Schlachtruf vorgesetzt, der einem genau das prophezeit, was die verrückten Schweden hier über knackige 37 Minuten auf hohem Niveau praktizieren: verspielte Gitarrenmelodien, vorwärtspreschende Drums, die gelegentliche Breitseite mit dem Distortionpedal, und hie und da ein wenig Gesang, der stellenweise sogar ein wenig an Arcade Fire’s Win Butler erinnert.

Auf der Vorabsingle ‚Hands in Hands‚ nehmen sich die Gitarren erstmals zurück und beschränken sich auf harmonische Begleitung, die einen zwischenzeitlich in himmlische Sphären befördert, anstatt wie zuvor immer wieder wild um sich zu schlagen und machen damit zum ersten Mal tatsächlich Platz für den Gesang.
Scraps of Tape scheinen allerdings nie wirklich ganz still sitzen zu können und obwohl es weithin propagiert wird, ist Post-Rock definitiv nicht das Genre, das einem als erstes in den Sinn kommt, wenn man ‚Sjätte Vansinnet‚ auflegt. Das hier ist mehr – das hier ist alternativer Indie-Rock, der macht was er will und jegliche genretypischen Konventionen außen vor lässt.

Als Höhepunkt des Albums zeichnet sich nach einigen Durchgängen der wohl härteste Song des Albums ‚Vultures with High Heels‚ ab, der einem von Beginn an direkt ins Gesicht schlägt und schon im nächsten Atemzug die Gitarren durch wunderschöne Melodie-Gefilde mäandern lässt. Man verliert über das ganze Album hinweg kein Wort zuviel und wenn der Gesang doch einmal zum Zug kommt, dann mit einer solch herrlich verzweifelten Leidenschaft, dass es beinahe weh tut.
Im sechsten Wahnsinn in Form ihres fünften Albums wird zu einem großen Teil allerdings instrumental zu Werke gegangen und nicht nur gezeigt, dass man technisch über jeden Zweifel erhaben ist, sondern auch, dass viel Zeit und Mühen in den Sound investiert wurden – nicht umsonst wird gleichzeitig mit dem Album ein limitiertes und eigens dafür entworfenes Distortion/Fuzz-Pedal veröffentlicht.

Man könnte beinahe sagen, Scraps of Tape machen es genau richtig: ihre Musik birgt schon instrumental ein solch enormes Potential voller Ideenreichtum, dass sie zwar zu keinem Zeitpunkt Gesang nötig hätte, ihn aber trotzdem gelegentlich dazu holt, bloß weil er noch eine weitere Facette hinzufügt und die Songs so nochmal ein gutes Stück aufwertet. Was allerdings fehlt sind die großen Momente, die man schon nach dem ersten Durchgang nicht mehr aus dem Kopf bekommt. Die Melodien, die sich auf Anhieb derartig in den Gehörgang fressen, dass man sie unbewusst selbst zu den unpassendsten Gelegenheiten in seinem Kopf wiederfindet – bei der großen Prüfung, beim langersehnten Date oder bei der Beerdigung des Hamsters, bei dem sich jeder schon gewundert hat, warum er die letzten Wochen über sein Futter nicht mehr angerührt hat.

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