Serpent Column – Katartisis

von am 19. September 2021 in EP

Serpent Column – Katartisis

Zum prolongierten Abschied verschärft sich die Kampfzone: Als EP-Nachhall zu Kathodos (2020) könnte Katartisis einen Scheitelpunkt im hiermit womöglich (auch nur vorläufig) zu einem Ende kommenden Kosmos von Serpent Column aufzeigen.

Zumindest scheint nach drei Langspielern und ebenso vielen Kurzformaten der Moment erreicht, an dem Puristen sich einer mindestens polarisierenden Ambivalenz stellen müssen. Denn hinter einem fast schon provokativ verrauschten Sound, der klingt, als wäre die Produktion in der kakophonischen Watte eines Pappkartons erstickt worden (was, um es vorwegzunehmen, erst extrem irritiert, dann aber für eine eigenwillige, fast shoegazend zum Ambiente des Songwritings kontrastierend-ergänzende  Atmosphäre sorgt) geht der so progressiv und komplex zwischen die Kreuze aus Math-, Dissonant-, Tech-, Death-, Avantgarde-, Grind- und Black Metal genagelte Stil-Exzess von Mastermind Theophilos und Maya Chin über den chaotischen Mahlstrom hinaus und erschließt wieder Neuland.
Nämlich hin zum Screamo und zu klar wie nie greifbaren Melodien, zu zugänglichen Formen und Kompositionen in ausdifferenzierter gelenkten Bahnen balanciert.

Was das zu bedeuten hat, lässt sich am besten anhand zweier markanter Passagen herausfiltern. Zum ersten gleich zu Beginn von Katartisis, nachdem der Opener Final Orders mit verwaschenem, flächigen Druck eine flächige Präzision für seine Blastbeats und das Gekeife, das Tackern und die rhythmische Unberechenbarkeit der die Melodien kratzbürstig ordnenden Riffs gewählt hat, um mit Dereliction II den wohl zugänglichsten Punkt der Diskografie von Serpent Column zu ermöglichen, der mit der sehnsüchtigen Seite des Powerviolence oszilliert, hyperventiliert und schleudert, den Noise im Hintergrund wie einen indifferenten Nebel auffahrend.
Zum zweiten ist dann das Finale der Platte, wenn das lange Herzstück Edelweiss erstaunlich einfache, weil so unmittelbar nachvollziehbare und konsenstaugliche Strukturen mit einer optimistischen Überschwänglichkeit versieht, von der Hysterie die Bandbreite bis zum kontemplativen Sinnieren in der gar nicht so bedrohlichen Hässlichkeit findet – bis eine Minute vor Schluss gar programmierte Beats auftauchen. Vesper bietet danach als Appendix nur kurz einen finalen Druckausgleich, weil die letzten Meter vor allem an der versöhnlichen Geste interessiert sind und Katartisis ruhig ausklingen lassen.

Dazwischen interpretieren Serpent Column diese Facetten subversiver in den bekannten MO. Disobedience bekommt etwa eine monumental aus dem Morast schimmernde Schlagseite in martialischer Psychedelik und dekliniert letztendlich mit stoischer Monotonie und sisyphus’schem Groove eine Abwärtsspirale. Die Art, wie die vordergründigen Elemente und die im Soundmatsch verschwommenen Details eine Einheit bilden ist faszinierend und mystisch, entbehrt aber auch der aggressivsten Radikalität der durchwegs besseren Vorgängerveröffentlichungen.
Das Zwischenspiel Subduction bietet jedenfalls greinend-grummelnder Sludge und Exterminating Love eine vertrackt knüppelnde Hatz samt Hardcore-Ästhetik und der gegen den Strich gebürsteten Atonalität. Cold Fires ist ein repetierender Geschwindigkeitskoller in verschiedenen Gewichtsklassen und Schattierungen, der ein Plateau findet, auf dem es so episch wie geduldig, so lauernd wie aufgeräumt, die überlegene Geste zur Schau zu stellen gilt, bevor das Titelstück selbst dann eine melancholische Sehnsucht artikuliert, wenn sich die vertrackte Gitarren und Rhythmussektion verzweifelt gegeneinander auflehnen und dann nonchalant flanieren.
Von einer Easy Listening-Erfahrung ist Katartisis hier wie ganz allgemein als Ganzes weit entfernt, doch entgegenkommender könnte die in älteren Interviews prolongierte, heute vielleicht eh bereits überholte oder auch zumindest nur vorläufige Abschiedsgeste von Serpent Column aber kaum sein.

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