Skeletonwitch – Devouring Radiant Light

von am 17. August 2018 in Album

Skeletonwitch – Devouring Radiant Light

Verschwitzte Klischees und versoffene Leitsprüche im Rückspiegel lassend haben Skeletonwitch nicht nur einen neuen Sänger an Bord, sondern auch gravierendere Justierungen in der stilistischen Ausrichtung ihres ehemaligen Party-Metal vor Augen: Für ihr mittlerweile auch schon sechsten Studioalbum Devouring Radiant Light erfindet sich die Band aus Ohio ein ganzes Stück weit neu.

Das 2016 in Eile hinausgeschossene Kurzformat The Apothic Gloom war also nur der erste, vergleichsweise noch vorsichtige Vorbote für einen Paradigmenwechsel, der angesichts der Personalwechsel bei Skeletonwitch zwangsläufig unabdingbar war, abgesehen davon aber subjektiv auch dringend notwendig und langfristig wohl nur vernünftig erscheint. Immerhin machte das Thrash-Konglomerat der Amerikaner zwar seit jeher Spaß, war aber eben intellektuell auch arg simpel und subjektiv ohne jeden Tiefgang gestrickt: Party ohne Ende war die Motivation, „Drink beer, smoke weed and eat some fucking pussy“ ein symptomatisch repräsentatives Credos der Band.
Fünf Jahre nach dem starken Serpents Unleashed (und damit die damit längste Pause zwischen zwei Alben) sieht die Ausgangslage für die Kombo anders aus. Stammsänger und Frontsau Chance Garnette wurde nach alkoholbedingten Zwischenfällen 2015 gefeuert („Ich will keine schmutzige Wäsche waschen, aber ja: Sein Bruder ist noch in der Band und er nicht mehr, das sagt wahrscheinlich genügend aus“ reüssiert Sprachrohr Scott Hedrick), die Aufgaben und Ambitionen haben sich im Gefüge zudem neu verteilt und Adam Clemans (Wolvhammer, Ex-Veil of Maya) erweist sich als neuer Sänger mittlerweile als im Kontext angekommene, urgewaltige Ideallösung. Kurzum: Die Band, die angesichts ihres dauerfeiernden tumbes Images Probleme damit hatte, überhaupt für voll genommen zu werden, macht nun Ernst.

Als zur Debatte stand, ob wir überhaupt zusammenbleiben, habe ich darüber nachgedacht, wie es wäre aufzuhören und etwas anderes zu machen. Ich habe gemerkt, dass das auch gehen würde. Das hat mir die Freiheit gegeben, die Musik zu schreiben, auf die ich Lust habe. Ich wollte mehr Songs schreiben und die Band in eine Richtung schieben, die vielfältiger ist. Mit Adam haben wir dann jemanden gefunden. der zu dieser Ausrichtung passt, weil er Ernsthaftigkeit reinbringt und uns von diesen albernen Horrorfilm-Kram wegbringt“ erklärt Hedfield, der nun noch vor dem Trash-Fließband Garnette zum tonangebenden Songwriter der Band aufgestiegen ist. Er erzählt plakativ von weitläufigen Interessensgebieten, die in den vergangenen Jahren gewachsen sind und die Prägung von reiferen Skeletonwitch eklatant verändert haben.
Es hat einfach nicht mehr funktionier, privat Ambient Free Jazz und Ambient zu lieben und in einer Band zu sein, auf deren T-Shirts ‚Eat some fucking pussy steht‘. Ich meine: Was bedeutet mir das? Es bedeutet nichts, es ist einfach nur dumm. Das reicht jetzt einfach mal. Ich will lieber ein bisschen Tiefgang, als noch ein Shirt, bei dem ein Typ sich an seinen eigenen Eingeweiden aufhängt.

All diese Entscheidungen hört man Devouring Radiant Light nun jedenfalls tatsächlich von der ersten Sekunde weg an. Obwohl der von Kurt Ballou misshandelte Sound (warum hat beispielsweise die Rhythmussektion keine tiefenwirksame Power und die Lautstärke nach oben dafür kein Ende?) im Kern immer noch klar die Handschrift von Skeletonwitch erkennen lässt. Weil die beiden kompakteren Songs (The Luminous Sky und vor allem das straight nach vorne rasende Carnarium Eternal) dem Stammpublikum verschwitzt die Hand reichen und sich zum penetrant catchy zur Hymne gallopierenden Temple of the Sun notfalls immer noch mühelos das eine oder andere Bier stemmen lässt.
Aber ganz generell hat die Band ihre rasanten Abfahrten nun deutlich langsamer und harmoniesüchtiger konzipiert, arbeitet mit ausladenderen Spannungsbögen und variablen Dynamiken, agiert finsterer, komplexer und dramatischer, forciert den Melodic Black Metal als maßgeblichen Fokus. Kurzatmige Attacken werden zu variableren Schlachtplänen von merklich längerer Spieldauer als bisher ausstaffiert, die sich in bis zu neun Minuten Spielzeit episch an die Decke strecken und die Nachwirkung einer dicht getrickten Atmosphäre zu nutzen wissen.
In dieser gewachsenen Bandbreite schielen Skeletonwitch nach Göteborg, zu Martyrdöd und At the Gates, adaptieren skandinavische Merkmale bis hin zur Melodieführung alter Opeth. Ein bisschen klingt Devouring Radiant Light dann gefühltermaßen sogar, als hätten Kvelertak nach ihrem Debüt weiter in Richtung von (mittlerweile ja Ex-Sänger) Erlend Hjelvik Vorlieben im Black- und Death Metal ausgeholt, ohne dabei ihr Gespür für große Melodien und Hooks unter den Scheffel zu kehren.

Während ich das Album geschrieben habe, habe ich kaum Metal gehört, und ich glaube, so schreibe ich besseren Metal“ sagt Hedrick. Stimmt so, bestätigt Devouring Radiant Light. Etwa, wenn das tremolotriumphierende Sahnestück Fen of Shadows erst melancholisch flaniert, seine Gitarren dann zu hymnischen Riffkaskaden türmt und praktisch unmittelbar darauf wieder ordentlich bolzt, mit keifend brüllendem Gesang rockt, hetzt, wandert – die Intensität permanent derart umschichtet, bis die Griffigkeit in einem Master of Puppets-artigen Melothrash-Zwischenspiel mündet.
When Paradise Fades wächst aus der eindimensionalen Repetition immer majestätischer gestikulierend in die Breite – getoppt vom überragend aus dem (für Bandverhältnisse überraschend entschleunigt) aggressiven Doom wachsenden Monumentalstück The Vault, in dem Skeletonwitch mit progressiver Hand die elegante Schönheit von Pallbearer anvisieren.
Der Titelsong legt sich dagegen im Midtempo in stimmungsvolle Gefilde, schichtet seine beschwörenden Gestus aber im atemlos anziehenden Refrain mit einer geradezu pathetischen Geste in eine heroische Sehnsucht in eine massive Wall of Sound. Allesamt Puzzlestücke eines seriösen Husarenrittes, der Devouring Radiant Light vielleicht nicht unmittelbar an die Speerspitze des extremen Metal hievt (dafür wirken einige Passagen zu sehr über Gebühr gedehnt, fehlen zudem die originären oder ikonisches Genieblitze), doch Skeletonwitch am Ende eines bedeutenden Entwicklungsschrittes quasi aus dem Reboot-Stand heraus aus der zweiten Liga in die erste katapultiert.

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