Snow Patrol – Wildness

von am 8. Juni 2018 in Album

Snow Patrol – Wildness

Von wegen Wildness: Snow Patrol gehen auf ihrem ersten Album seit knapp sieben Jahren keinerlei Wagnisse ein. Allerdings liefern die Nordiren über dem bisslos gespannten Netz samt doppeltem Boden rundum solide fabrizierten Formatradio-Alternative Rock, der zudem gut daran tut, alles bewusst eine Nummer kleiner aufzuziehen, als auf vorangegangenen Megasellern.

Dass seit Fallen Empires (2011) über ein halbes Jahrzehnt vergangen ist, hat weniger an der unterdurchschnittlichen Performance des Wildness-Vorgängers zu tun. Sondern einerseits mit Gary Lightbodys gefragten Engagements als einspannbaren Songwriter-Dienstleister, andererseits jedoch mehr noch mit einem anhaltenden Kampf des 41 Jährigen gegen Alloholsucht, Depressionen sowie einer hartnäckigen Schreibblockade.
Die erzwungene Auszeit hat Snow Patrol jedenfalls gut getan: Ohne sich aus der Komfortzone des Massenmarktes zu befreien, ist die Qualität der Songs nun nicht nur wieder höher als auf A Hundred Million Suns und Fallen Empires, sondern vor allem konstanter. Einigen verhaltenen Highlights (nicht zu verwechseln mit: erschlagenden Evergreens ala Run oder Chasing Cars) stehen kaum Ausfälle gegenüber – nur das grottige A Dark Switch übersättigt mit seinen blamabel-funkigen Gitarren, beliebigen Stakkato-Streichern und der billig-penetranten „Ohohohooo„-Überdosis geradezu geschmacklos.

Dem steht jedoch eine Riege an soliden Standards gegenüber, die Wildness per se zu keinem spannenden Ganzen machen, aber zu einem rundum zufriedenstellenden Mainstreamwerk, dass das Maß an angenehm zu konsumierender Konventionalität zuverlässig bedient und den zuletzt kultivierten Snow Patrol’schen Drang für elektronische Sprengseln zudem homogener in den gefälligen Sound einflicht als bisher.
Wo dem zur Langeweile tendierenden Heal Me als stampfendes Stadionfließband noch der große Refrain fehlt, fokussiert Empress das selbe Ziel dank eines in eingängigeren Chorus weniger egal an, bevor A Youth Written in Fire über seinen Konservenbeat mit bodenständiger Dramatik eine asiatische Neonschicht aus Synthies legt, die auch den Maniac Street Preachers gefallen wird, oder Wild Horses die Massen mit funkelnder Patina zum Feiern bringen will, ohne den grundlegend weniger elaborierten Charakter von Wildness aufzugeben. Dass die Nummer ohne die aufdringlichen Handclaps und Overdubs noch stärker gewesen wäre, ist hingegen Ausdruck eines symptomatischen Dilemmas.

Tatsächlich sind Snow Patrol trotz einer generell poppig forcierten Zugänglichkeit und leichten Verdaulichkeit auf Wildness dennoch näher dran an ihren Indie-Wurzeln, als man das nach Final Straw noch für möglich gehalten hätte.
Dort eröffnet etwa Life on Earth: Ein wunderbarer Opener, der aus der akustischen Zurücknahme in Schüben wächst und episch veranlagt eine aufbäumende Wucht bekommt. Schade zwar, dass  die aufgebaute Spannung genau genommen nirgendwo hinfindet und somit orientierungslos unter Wert verpufft, aber der Gestus stimmt schon zu Beginn. Zumal das bedächtig pulsierende Life and Death am anderen Ende den Kreis mit dezenter Elektronik und Gospelversatzstücken passenderweise adäquat versöhnlich schließt. Opulenz muss für Snow Patrol mittlerweile offenbar nicht mehr zwangsläufig erschlagenden Bombast bedeuten.
Die erste Single Don’t Give Up krächzt seine Durchhalteparolen dagegen bemüht in Springsteens Nebraska, entwickelt sich über seinen stacksenden Rhythmus aber zu einem erstaunlich nachhaltigen Ohrwurm. Noch besser: Soon fußt auf einem traumwandelnd gen A Moon Shaped Pool schielenden Pianolauf sowie launigen Streicherarrangements, schichtet anziehende Harmonien um, die letztendlich atmosphärisch über den Horizont gleiten. Und What If This Is All The Love You Ever Get? ist schlichtweg eine wunderschön zurückgenommene Ballade am Klavier, so eindringlich und intim, wie natürlich auch plakativ – aber derart methodisch unter die Haut gehen, das können Snow Patrol einfach.

Ärgerlich freilich, dass Wildness selbst hier dennoch stets harmloser wirkt, als es eigentlich müsste. Weil die Produktion trotz eines feinen Klanges zu medioker und handzahm am austauschbar-generischen Konsens zurechtgebogen wurde und berechnend wohl alle jene (Britrockfans) an Bord holen soll, denen Coldplay zuletzt abseits etwaiger Geschmacksverirrungen zu wenig erinnerunswürdiges serviert haben.
Deutlich wird dies eklatant, wenn die angehängten Bonustracks in ihren alternativen Versionen allesamt charmanter und individualistischer wirken, als die glatten Studiovarianten. Wirklich übel nehmen will man das der Band allerdings auch nicht. Denn wo Wilderness grundsätzlich niemandem weh tun will, ist im Songwriting an sich wieder eine gewisse Ungezwungenheit zu spüren. Mit gelösten Verkrampfungen steht es Snow Patrol deswegen auch gar nicht schlecht, sich mit ihrem siebenten Studioalbum abseits einiger gefühlter Plattenfirmen-Zugeständnisse wieder ein wenig aus der Riege der permanent über dem Zenit arbeiten müssenden, hymnenhaften Arenabands zurückzuziehen und in bescheidenere Gefilde zurückziehen, die angesichts der immer schon vorhandenen Fähigkeiten des Quintetts vor allem auch eine allgemeine Zuverlässigkeit bedeuten. Ein Metier also, in denen vergleichsweise auch die Stereophonics ihr Stammpublikum routiniert bedienen. Nicht die schlechteste Nachbarschaft für Lightbody und Co.

 

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