Sufjan Stevens & Lowell Brams – Aporia

von am 31. März 2020 in Album

Sufjan Stevens & Lowell Brams – Aporia

Sufjan & Lowell: Aporia ist ein New Age-Synthie-Mosaik und zielloses Mood Piece, das seine skizzenhaften Fragmente mit mystischer Austauschbarkeit aus dem progressiven Ambient und einer einnehmenden Space-Elektronik bezieht.

Schon 2008 haben Sufjan Stevens und sein Stiefvater Lowell Brams zusammen an Musik gewarbeitet – Music for Insomnia passierte als Nischenmusik abseits der öffentlichen Wahrnehmung.
Nun, zwölf Jahre später, ist das Interesse trotz einer ähnlich strukturoffenen Orientierung freilich ein anderes. Stevens selbst hat sich seit seinem jüngsten regulären Studioalbum Carrie & Lowell neben Live-Werken und Christmas-Mixtapes vor allem mit Kooperationen wie Planetarium und Decalogue beschäftigt, während der passionierte Ambient-Musiker Brams eher „nur“ aufgrund der männlichen Hauptrolle auf der 2015er-Platte seines Asthamtic Kitty-Label-Mitbegründers der Indie-Welt ein Begriff ist.
Geändert hat sich seit Music for Insomnia aber auch die Herangehensweise der beiden Musiker im Gespann, ist Aporia doch trotz allem eine weitaus weniger unkonventionell-herausforderndes Experiment geworden, sondern eher eine nette Fingerübung zwischen den Assoziationen Boards of Canada, Tim Hecker, Brian Eno und Vangelis – auch wenn Stevens und Brams dem Genre als gefühlte Spontanbesucher praktisch kaunm so essentielles beizutragen haben, wie derartig langgediente Koryphäen. Selbst der Unterhaltungswert und persönliche Perspektivengewinn hält sich mit überschaubarem aktiven Wiederhörverlangen in Grenzen.

You know how it is with jamming: ninety percent of it is absolutely horrible, but if you’re just lucky enough, ten percent is magic. I just kept pulling out these little magical moments“ sagt Sufjan über den Selektionsprozess der unzähligen Stunden an entstandenen Material, stuft die nun versammelten 43 Minuten und 21 Tracks damit aber zu ambitioniert ein.
Denn magisch ist hier dann letztendlich nichts, doch hat Aporia in seiner soliden Kompetenz durchaus feine Momente zu bieten. Es gibt retrofuturistische, sphärische Esoterik (Ousia) oder minimalistische Beats, die näher bei No Man’s Sky als an Age of Adz sind, während der Score seine Melodien wie Milchstraßen durch einen Klangkosmos legt, sogar eine relativ zügige Dramatik in verträumte Gefilde führt (What it Takes). Das stellare Disinheritance könnte aus Sunshine stammen und Determined Outcome aus einem warmen Suspiria-Umfeld. Agathon ist gewissermaßen sanfter Industrial und Glorious You schimmert orchestral und hoffnungsvoll hell. Interessanter ist aber die delirante Schieflage von For Raymond Scott oder die martialische Rhythmik von The Unlimited – auch wenn diese Ideen immer nur ausschnitthafte Teilbereiche ohne konkretes Songwriting oder eine wirkliche Tiefenwirkung abseits des berieselnden Hintergrundes erzeugen, eine verwässerte Komfortzone ohne radikale Konsequenz suchen .

Das eigentliche Problem bei all diesen Momentaufnahmen ist dann weniger der trotz einer einnehmenden Atmosphäre niemals wirklich runde Fluß der Platte, als vielmehr, dass keine dieser Aufnahmen tatsächlich charakteristisch oder unverwechselbar originär erscheint, Aporia eben gerade in seiner ersten Hälfte selten über die gelungene, aber austauschbare Schubladenkunst hinauskommt. Erst im experimenteller werdenden Verlauf und gerade der starken Schlußphase können Stevens und Brams ihrem Werk eine eigene Identität verleihen und eine Existenzgrundlage abseits ihrer Reputation erzwingen – gerade auch, weil vor allem Stevens‘ näher an sein eigenes Schaffen heranrückt.
The Runaround findet etwa mit seiner in der Distortion übersteuerten Butter-Snare und einem geduldigen Tempo eine alternative Zeitlinie aus den 8orn mit krautigem Groove, dessen straighte Spannung Johnny Jewel oder Cliff Martinez gefallen wird, bevor ausnahmsweise entrückte Vocals einGeborgenheit kreieren, die auch die bezaubernd digitalisiert-ehhebenden Chöre in Climb That Mountain oder die pluckernde New Wave-Eile in Captain Praxis kennt. Diese Phase am Ende von Aporia entlohnt zwar keineswegs für den (passiv beschritten) niemals schlechten Weg dorthin, bringt aber zumindest ein bisschen kreatives Gewicht mit klarer Handschrift in das zumindest ästhetisch ansprechende Geschehen.

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