Sufjan Stevens – Revelations

von am 1. Mai 2021 in Album

Sufjan Stevens – Revelations

The Five Stages of Grieve als instrumentale Ambient-Odyssee: Revelations ist der dritte Part der letztendlich 49 Songs umfassend werdenden, fünfteiligen Albenserie Convocations, auf der Sufjan Stevens den Tod seines leiblichen Vaters musikalisch verarbeitet.

Das Coverartwork-Farbspektrum des direkten Vorgängersegmentes Lamentations – der Kontrast aus vagem Schwarz und knalligem Gelb – hätte eigentlich besser zu Revelations gebracht, als der stattdessen heragezogene bonbonfärbige Strudel. Immerhin fühlt sich die Platte wie ein Ringen aus hell und dunkel an, ein konträr veranlagtes Wechselspiel aus einer sich kaleidoskopartig drehenden und windenden Gegensätzlichkeit, die Breite dominierend, ohne ein tatsächliches Ziel vor Augen zu haben, sowie einer immer wieder in das Geschehen drängenden abgründigen Ambivalenz: Hinter dem Wohlgefallen lauern beklemmende Schatten.

Revelation I installiert nach dem mittlerweile bekannten Muster Synthies, diesmal aber neonfärbig wabbernd und schimmern, abstrakt aber hoffnungsvoll. Die Klänge strecken sich vage nach oben, überraschend warm und weich, ein optimistischer Blade Runner-Score. Doch schon Revelation II zeigt hinter obskuren Vocal-Loops abseitiger schraffierte Effekte, pendelt zerrissen zwischen diffusem Alptraum und erlösender Epiphanie, als emotionale Achterbahnfahrt nach nirgendwo – Revelation III fühlt sich dort wohl, legt sich aber sakraler und abgedämpfter nieder.
Revelation IV setzt den schubweisen, sich entwicklungstechnisch im homogenen Ganzen gefühlt stets über zwei bis drei Tracks zusammenhängenden Fluß der Platte fort, bleibt in der Dualitätverankert – allerdings inmitten zweier Phasen der erhebenden, sich gegenseitig schmeichelnden Amplituden der Schönheit: einerseits einer direkten Reminiszenz an – einen Song der eigenen Diskografie…welchen aber nur? Es liegt auf der Zunge….! – über wohlige Keyboard- Schwaden als spaciger Drone und einer engelsgleichen, hellen Harmonie. Dort findet Revelation V seinen Frieden.

Revelation VI funkelt bedächtig wogend als Erhabenheit, bekommt jedoch langsam  eine Schlagseite, negative Facetten scheinen sich gefährlich in den behutsamen Wellengang drängen zu wollen, doch das somnambul schwebende Revelation VII söhnt aus. Eine Finte, denn der Fiebertraum Revelation VII operiert atonal, dissonant, gegen den Strich und unbequem.
Die Unberechenbarkeit, Abenteuerlust und Bandbreite macht Revelations als Zuckerbrot-und-Peitsche-Episode zum bisher stärksten Werk der Convocations, zumal mit klarer Handschrift. Immerhin zeigt nicht nur Revelation IX, mit seiner rückwärts gespielten, pluckernd-flimmernden Rhythmik und dem bis zur Zusammenfassung Revelation X pulsierenden Hypnose eine absolut typische Stevens-Grandezza.
Auch wenn die eigentlichen Stärken des Songwriters deswegen weiterhin nicht im Ambient liegen, ist es ein weiteres Mal zudem faszinierend zu verfolgen, wie er jedes Teilstück dieses Mammut-Gesamtwerkes mit jedem Mosaikstein individuell auszuleuchten versteht.

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