The Body – I’ve Seen All I Need To See

von am 25. Januar 2021 in Album

The Body – I’ve Seen All I Need To See

Jede neue Attacke im ausufernden Repertoire von The Body hat das Potential zur Hit or Miss-Polarisation. I’ve Seen All I Need to See ist da an sich keine Ausnahme, zeigt das Duo aus Rhode Island aber in bestechender Form.

Das liegt daran, dass der große Zankapfel der Band (die permanent so monoton und eindimensional hysterisch-hohe, schrill kreischende Stimme von Chip King, die in in ihrer variationslosen, ja geradezu dilettantisch-heulenden Penetranz selbst bei viel Wohlwollen die Musik von The Body mit malträtierten Nervensträngen schlichtweg ungenießbar machen kann) hier vielleicht nicht eliminiert wurde, jedoch eine nahezu idelae Balance findet.
Dass sie im sich ausblutend über die ambiente Zeitlupe eines weit entfernten Feedback-Gewitters schleifenden Closers Path of Failure als Sumac’sche strukturfreie Grenzwanderung beispielsweise nur noch sparsam eingesetzt auftaucht, und dann sowieso als dämonische Fratze verzerrt wurde, steht nämlich stellvertretend dafür, dass sie als charakteristisches Element diesmal deutlich besser (weil ganzheitlicher) im System verwurzelt ist, als auf den meisten (ob nun offiziell so deklarierten, oder nur insgeheim als Kollaborationen firmierenden) Projekten des Gespanns, während I’ve Seen All I Need to See für diese Ausrichtung generell die ästhetischen Punkte seiner Verortung verschiebt.

Die acht Songs basieren geradezu archaisch auf der puren Grundfeste der Achse King und Lee Buford: Minimalistisch gespeist sind die stilistisch zuletzt ja bis zu orchestral anmutenden Arrangements reichenden Expeditionen nun wieder einer ursprünglichen Reduktion gewichen: Schlagzeug und Gitarre und Stimme sind die übersteuerte Essenz. Eine spartanische Ausrichtung, die jedoch mit maximal ausgerichteter Agenda agier („they tried pushing the limits of each piece of gear in the studio to hear what its breaking point sounded like and then recorded it“), so dass selbst die Gäste (vocalist/pianist Chrissy Wolpert sowie vocalist Ben Eberle) diesmal vollkommen assimiliert verschlungen wurden und der Überbau der Drone Metal-Basis sich weiter in die Welt der Power Electronics, zum Harsh Noise, Noiserock und Death Industrial sehnt.

Eine heavy brütende Melange, die Produzent Seth Manchester nicht von ungefähr eine „meditation on distortion“ nennt, und die das subjektive Wohlwollen mit herrlichem Unbehagen so ergiebig ansteuert, wie wohl keine Veröffentlichung von The Body seit den Thou-Kooperationen und I Shall Die Here.  Zutiefst homogen zeigt der MO von I’ve Seen All I Need to See als Heimkehr von weitschweifenden Abenteuern stets individuelle Schraffierungen, Konturen und Facetten.
Schon für A Lament hat Grave of a Dog von 2020 massiv abgefärbt: ein scheußlicher kleiner elektronisch verspielter Drone mit rezitierendem Intro und stark eingesetzten, radikalen Abblenden. Lange greinend, bevor das typische Verhaltensmuster von King auftaucht, dann aber auch stimmiger im finster pulsierenden Klang-Morast eingeordnet, bläht sich der Opener schwerfällig als schleppendecnfiepende Albtraum-Dunkelheit auf – kann man da allerdings nicht dennoch von einem geradezu erhebenden Klimax sprechen? Zumindest sind melodischen Ahnungen und ein harmonischer Wahn über der knirschenden Distortion, der auch die herausragende Produktion unmittelbar in die Auslage stellt.

Schwächer wird I’ve Seen All I Need to See danach nicht mehr, sondern geizt höchstens mit wirklich schockierenden Überraschungen – nur The City Is Shelled kreiert eine solche, wenn über die Modulation Rhythmik erzeugt wird, bevor ein verzerrtes Schlagzeug in einen sich hypnotisch windenden Mahlstrom aus sedativer Trance einstiegt, nach und nach in eine Vaudeville-Horror-Patina mit klimperndem Piano und fast gesungen-gegreinten Vocals zur schunkelnden Eingängigkeit kippt.
Öfter als Anomalien im Regelwerk pflegen The Body jedoch die Konzentration und Deklination, einer entschleunigten Mutation des Daughters-Ist-Zustandes womöglich. Tied Up and Locked In legt einen kriselnden Schleier über ein martialisch polterndes Ungetüm. Die bis zur Unkenntlichkeit zerätzte Melodie strahlt eine Intensität aus, das gepitchte Rufen ist weit hinten eher Textur, bis ein digital zerhacktes Geschrei irgendwo zwischen Thou und Full of Hell das Zepter übernimmt und Wellen thront. Eschatological Imperative operiert in der Grauzone aus Industrial und Downtempo – wuchtig, geduldig, schleppend und monströs. Das spitze Geschrei ist wie Tinnitus-Fiepen, der Dompteur die mit viel tiefem Hall durchhängenden Toms, die emotionslos und stoisch hämmern.

A Pain of Knowing schmort im nihilistischen Feedback, dreht in schriller Distanz die subkutanen Daumenschrauben im flächig-beklemmenden Rausch an. They Are Coming lässt seine Eruptionen dagegen kreisförmig in Tranchen los, faucht hinten raus kehlig mit zusammengepressten Zähnen als gepeinigtes Martyrium, bevor The Handle / The Blade nervös flimmert, klaustrophobisch drückt – aber durch die treibenden Drums und die brutzelnde Gitarre eine militärische Strenge und beklemmende metallische schlängelnde Dringlichkeit erzeugt.
Insofern ist die Wirkungsweise der Platte auch stets eine erstaunliche: The Body sind sich einerseits bewusst, dass weniger mehr ist – übersteigern dieses praktizierte Weniger aber so weit am Anschlag und jenseits des Limits, dass sie nahe an ihrem Ideal gewissermaßen ein Paradoxon vertonen: I’ve Seen All I Need to See klingt wie ein genügsamer Asket auf Steroiden, dessen zielbewusste Effizienz eine plättende Präsenz erzeugt.

Print article

Kommentieren

Bitte Pflichtfelder ausfüllen