The xx – Coexist

von am 3. September 2012 in Album, Heavy Rotation

The xx – Coexist

Was die Senkrechtstarter The xx ohne ihre mittlerweile gar von Rihanna gesampelten Überhits wären, zeigt der heiß erwartete Nachfolger ‚Coexist‚ nun weitestgehend: noch kompromissloser und unaufgeregter vertieft in ihren melancholischen Mitternachtspop.

Ob auf ‚Coexist‚ letztendlich überhaupt irgendein Song ernsthaft mit einem ‚VCR‚, ‚Crystalized‚ oder einem ‚Shelter‘ hinsichtlich Hitappeal konkurrieren können soll, bleibt wenn nur bis zum zwangsläufig einsetzenden Wachstumsprozess der Platte an deren insgeheimen Stärken offen. Hat man doch in den kurzweiligen verfliegenden 38 Minuten des Zweitwerks das Gefühl, dass The xx sich den Druck des ins Unermessliche gestiegenen Aufmerksamkeitsfokus schlicht außen vor gelassen haben – und damit unterm Strich trotz allem bestens gefahren sind. Das klingt in gewisser Weise nach mehr Verweigerungshaltung als es letztendlich viel mehr die absolute Konzentration auf das Gesamtwerk, den Albumfluss, die also schon hinter ‚xx‚  brütenden Vision an sich ist. Außerdem: abseits von ultimativ prägnanten Singlekandidaten liefern allein Momente wie die gefakte Steel Drum in ‚Reunion‚ oder das einprägsame Synthie-Pfeifen in ‚Try‚ ohnedies noch genug hartnäckige Widerhacken für die Gehörgänge; ‚Swept Away‚ wäre in anderen Händen ein bombastischer Housetrack geworden – The xx haben eher subtile Magie im Visier. Weswegen das fulminante, mit einer von Beach House geborgten Gitarre verzaubernde ‚Angels‚ auch mit noch weniger Instrumentarium auskommt, als man das selbst bei dieser Band vor zwei Jahren noch möglich gehalten hätte.

Aber sonst ist bei The xx das meiste beim alten geblieben, versteifen sich die blutjungen Londoner doch noch hartnäckiger und gleichermaßen unangestrengter, wie selbstverständlich, in ihren bereits auf dem allerorts durch die Decke gegangenen Debütalbum zelebrierten Stilmix zwischen skelettierten R&B Skizzen und melancholisch durch die Nacht pendelnden  Popschwaden, die Elektronik vage weiter nach vorne rückend. Soll heißen: empfundenermaßen reduzieren The xx ihren Sound noch einmal gewaltig, selbst, wenn das praktisch kaum möglich scheint; wattieren die sorgsam gondelnden Hooklines in Doch-Wieder-Hits wie ‚Chained‚ noch anschmiegsamer im Dualgesang von Romy Madley Croft und Oliver Sim, perfektionieren die Produktion in den detailreichen Facetten und im vollen, kargen, Klang, Jamie Smith ist als leiser Beatlieferant in der Band angekommen. ‚Coexist‚ öffnet seine Portale so erhaben leidend in die romantisierten Dunkelgeschichten über die Liebe und das Loslassen davon aus der juvenilen Perspektive, ist noch elegischer, getragener und auch offensichtlich unspektakulärer als sein Vorgänger –  lässt also bezweifeln, das Festivalbesucher diesen Sommer die Kombination The Cure und The xx nacheinander ohne chronisch hinterbliebene Melancholieschäden und hartnäckig behaltenen Schwermut hinter sich gebracht haben können. Dabei ist auch ‚Coexist‚ im Herzen eine unheimlich wärmende Platte geworden, braucht nicht zwangsläufig zwingende Beats um elegant über die Tanzfläche zu schweben, dafür aber Aufmerksamkeit, um die Brillanz im gesteigerten Minimalismus abseits von Stagnationsvermutungen zu erkennen, umschwänzeln The xx diesmal doch auch lieber Ziele, als lange dort zu verweilen oder manchmal gar überhaupt anzukommen.

Die nach allen Seiten offenen Gitarren passieren immer noch so sehr in weiter Ferne, ein Schleier scheint über jedem Ton zu liegen. Der Umgang mit der Einsamkeit wird dabei Dreh- und Angelpunkt: „We used to be closer than this.“ heißt es, „And everyday/ I am learning about you/ The things that no one else sees/ And the end comes too soon„, aber auch „And the end is unknown, but I think I’m ready as long as you’re with me.“ Das sind die Momente, in denen ‚Coexist‚ nicht nur die lyrische Intensität der Band abseits der gesteigerten Produktionsfertigkeit aufzeigt, sondern schlicht zum Sterben schön vertonte Traurigkeit geworden ist. The xx umspülen mit einem noch ruhigeren, oberflächlich durch und durch so unendlich angenehm zu hörendem Album, lassen die offenkundigen Ausbrüche nach oben aber eben gerade deswegen aus, weil das intime ‚Coexist‚ noch weiter in die Tiefe geht als sein unbetitelter Vorgänger. Damit reizen die Engländer eigentlich nur aus, was sie bereits auf ‚xx‚ perfektioniert hatten, enttäuschen damit im Prinzip ebenso, wie sie praktisch gerade dadurch ihren Glanz vorantreiben, variieren die schlichte Anmut ihrer Kompositionen letztendlich ohne Fehl und Tadel. Man darf das Debütalbum im Rückspiegel paradoxerweise als Ausrufezeichen sehen, ‚Coexist‚ als das herzzerreißende Seufzen danach.

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1 Trackback

  • The xx - I See You - […] der Platte in Form einer neu definierten Körperlichkeit im Klangbild vorweg. Wo der Vorgänger Coexist jenen Trademarksound in noch…

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