Today is the Day – No Good to Anyone

von am 12. März 2020 in Album

Today is the Day – No Good to Anyone

Today is the Day sind eine Nischensensation, deren Verehrung sich großteils auf das herausragende Magnum Opus Sadness Will Prevail in einer polarisierenden Diskografie zurückführen lässt. Mit No Good to Anyone tut Bandkopf Steve Austin alles, damit es bei dieser Ambivalenz bleibt.

Alleine der konfrontierend dumpfe Sound der Platte, der all die hohen Spitzen des 2002er-Mammutwerkes verbietet und als platter Morast brütet, ist ein Statement: Metal – in all seinen Formen und Variationen – muß für Today is the Day immer Avantgarde sein, die es niemanden Recht machen soll, die sich selbst ebenso keine Komfort- oder Wohlfühlzone gönnen darf: Wenn man sich selbst im Weg steht, ist das kein Unfall, sondern Vorsatz eines bisweilen brillanten Universal-Dilettanten – auch wenn der eingeschworene Kern von Austins Jünger gegen eine solche schwermütig und heißblütig auf die Barrikaden steigen werden.
Die prolongierte Katharsis No Good to Anyone als Ganzes könnte dann aber selbst sie frustrieren: Eine orientierungslos machende und keineswegs befriedigen wollende Sammlung aus karambolagenhaften Songs, die gefühltermaßen stets etwas willkürliches, unfertiges und skizzenhaft hofieren, nicht zu Ende gedachte Versuchsanordnungen, die Konflikte schüren, anstatt sie lösen zu wollen.

Im unbeständigen, primär von der Atmosphäre und eben der Produktion zusammengehaltenen Spielfluß tobt sich Austin jedenfalls mit 14 mal mehr, mal weniger abrupt endenden, sich selbst auch durch die Umgebung dekonstruierenden Impulsstücken aus.
Der Titelsong treibt einen voluminösen Wegstein als matschig-grummelnde Doom-Walze mit entschleunigtem Stoner Riff und verzerrtem Fuzz-Bass, der butterweich knödelnd im Teppich der beschnittenen Produktion hängen bleibt. Rezitierende Passagen wechseln sich mit melodiösen Harmonien ab, beginnen plötzlich zu keifen, und der Song kippt mit kloppenden Drums in den Angriffsmodus – der aufgrund der Inszenierung keine wirklich packend Intensität, keinen Punch erzeugt. „I hate everyone“ meint hier aber eben jeden, auch sich selbst. Weswegen der Opener sich mit psychedelischer Färbung weiterschleppt, rumort und dröhnt.

Der delirant schlängelnde, nasale Gesang von Attacked by an Angel erinnert dagegen vage an Primus, Austin umreißt jedoch eine lauernd-schwankende Fantasie, die irgendwann revidiert und Kohlen für die entschleunigte Planierraupe nachlegt. Son of Man ist eine schwere, schleppende Zeitlupenaufnahme, die immer diffuser aufblüht, Synthies und effektverzerrten Gesang zu Blastbeats führt, dabei aber so fahrig wie möglich mit den Strukturen umgeht, schonungslos mäandert. Die Helmet-artige Stop-and-Go-Motorik von Burn in Hell trinkt Whiskey und pumpt Kokain, klingt aber wie eine sedierter unter Strom gesetzter Blues ohne Masterplan. You’re All Gonna Die versucht mit Grind-Attacke den nach vorne gehende 90er-Rock (ungefähr: Corrosion of Conformity) mit The Locust-Flirt.
Cocobolo hätte daran als sinister glimmerndes Stück, das Clutch zu ihren Anfängen ohne einen Sänger wie Neil Fallon gemacht haben hätten können, bevor der Refrain zur Grunge-Hymnik will – doch die Nummer platziert Austin zwischen das Klavier-Intermezzo Orland (das für 31 Sekunden nirgendwoher kommt und nirgendwohin führt, für die Platte komplett redundant ist) sowie da Interlude Agate (eine maschinelle Klanginstallation, deren Sinn völlig offen bleibt). Dröger Stoner der Marke Mercy: Folgt irgendwann später – nur nicht, wo es in die Kohärenz gepasst hätte.

Jedes Potential wird von Austin eben geradezu mutwillig mit einem Schatten versehen. Callie als unerwartet klare Ballade, beinahe konventionell gar und abseits der depressiven Texte versöhnlich und friedlich, krankt nur an der Stimme und dem Unwillen zum Mainstream des Today is the Day-Lenkers. Born in Blood liegt halluzinogen beschwörend neben der Spur, agiert symptomatisch: All das ist reizvoll, bekommt aber auf emotionaler Ebene nicht den nötigen Zugriff, um die Sogwirkung zu erzeugen, die das eigenwillige No Good to Anyone im Gesamten immer wieder in Aussicht stellt. Viel mehr Wirkt die Platte wie ein lose zusammengefügtes Mosaik um eine grundlegende Idee, die kein rundes Ganzes ergibt.
Mexico groovt so zwar absolut einnehmend aus der Gruft-Trance, mäandert und eiert dabei aber und packt seine starke Ästhetik nicht in zwingende Formen. Und das wirklich starke Rockets and Dreams bimmelt sich glockenhell in Position, nimmt am geduldig schwelgenden Lagerfeuer Platz, lässt uneinige Drums eine Akustikgitarre begleiten, und Austin klingt wie der benebelte Nachfahre von Neil Young. Sicher ist das wieder leiernd und zu zwanglos in den Konturen, doch steht diese bisher selten erforschte, nun ja, Eleganz Austin hervorragend.
Dass der Vloser nach knapp der Hälfte der Spielzeit über die antiquierte Praxis zu einem Hidden Track in den essenzlosen Drone abtaucht, macht die Nummer freilich nicht hörbarer, erhöht nicht den Wunsch auf ein Wiedersehen. Doch so funktioniert diese Band eben – und Today ist mal wieder nicht The Day, um da außerhalb der treuen Fanbasis restlos dahinterzusteigen.

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