Ty Segall Band – Slaughterhouse

von am 6. Juli 2012 in Album, Heavy Rotation

Ty Segall Band – Slaughterhouse

Ty Segall und der Garage Rock – auf ‚Slaughterhouse‚ eine noch intensivere Liebesgeschichte, als jemals zuvor, prügelt doch erstmals seine Liveband auch im Studio auf dreckige Improvisationssongs ein, die mit den Beinen in der Vergangenheit stecken, und den Kopf in die Zeitlosigkeit hämmern.

Slaughterhouse‚ ist schlicht das bisher konsequenteste, kompromissloseste und beste Studioalbum von Ty Segall geworden. Punkt.  Auch und vielleicht vor allem, weil es eben nicht alleine sein Album geworden ist, sondern von Gitarrist Charles Moothart, Schlagzeugerin Emily Rose Epstein, vor allem aber dem umtriebigen Langzeitkumpel Mikal Cronin am Bass und als erstem kreativen Kontrapunkt mitgestemmt wurde. Die Energie, die zwischen den vieren an drei rauschenden Tagen im kalifornischen Studio entstanden ist, droht ‚Slaughterhouse‚ nun förmlich zu zerbersten, der Sound peitscht aggressiv aus den Boxen, die rohe Impulsivität der Sessions treibt die Songs unerbittlich, mehr als der Wunsch nach konkreten Trennlinien zwischen Improvisation und Gedankengangvollendung. Es ist die archaische Wucht des Rock ’n‘ Roll, die ungeschliffene Urgewalt des Rhythm & Blues, welche die vier Musiker in ihr ‚Slaughterhouse‚ treibt, es steht unweit des ‚Funhouse‚ der Stooges.

Die Brachialität, die Aggressivität in jedem einzelnen Anschlag, sie hat ihren Paten im hemmungslosen Protopunk von Iggy und seinen Jungs, kennt die räudige Unmittelbarkeit von den Sonics, ohne deswegen gleich Messer durch die Vestärker jagen zu müssen. Die Stimmung, sie ist auch so aufgeheizt genug, hier tropft der selbe Schweiß von der Decke, der auch bei Guitar Wolf, den Mummies und wie sie alle heißen mögen ausgezehrte Leiber am Rande des Verstands auswringt. Es herrscht Ekstase, Segall heult seine catchy Hooklines, sein manisches Kampfgeschrei aus einem Lo-Fi Soundloch, beschwört das Rock-Nirwana, destruktives Feedback lässt die Wände beben. Die Band kostet diese Gnadenlosigkeit genüsslich aus, legt all ihr Herzblut in die Attacken aus Reverb, Distortion und Hall, der Noise kriegt hier noch jeden Song: ‚Wave Goodbye‚ drückt das Tempo zur zwielichtigen Stonerwalze, stampft und ballt die Fäuste, bevor alles Hymnische aus der Nummer geprügelt wird.

Ob das kaumeineinhalb (‚Slaughterhouse‚) oder zehn Minuten (‚Fuzz War‚) dauert, spielt keine Rolle, ebensowenig, ob man da jetzt konkrete Formen aus dem Wahn destilliert. ‚Slaughterhouse‚ ist ein irrer Ritt geworden, ein schmutziger Klumpen, der die Attitüde in der Vordergrund drängt und die Substanz großzügig als As im Ärmel ausspielt. Hinter all dem archaischen Chaos, der zehrenden Dichte, stecken genug Bad-Ass-Ohrwürmer, um ein immer attraktives Revival notfalls allein zu stemmen. Das Rad neu erfinden, das will die Ty Segall Band keineswegs, im Gegenteil, ‚Slaughterhouse‚ ist derartig stilecht in der Vergangenheit verwurzelt, dass es keinerlei Hehl aus seinen Inspirationen machen muss: ‚The Bag I’m In‚ lässt Fred Neil mit gewetzten Messern in den Nachthimmel rasen, ‚Diddy Wah Diddy‚ zeigt Bo Diddley den Garage Punk von San Francisco. Auch das erst zwei Jahre alte ‚Oh Mary‚ von ‚Ty Segall‚ wird  in die Mangel genommen, und selbst das macht in dieser Konstellation Sinn.

Tell me what’s inside your heart/ Tell me what’s inside your heart, whoa/ Let me tear that heart apart“ hantiert Segall hinterfotzig mit dem Feuer der Liebe in ‚Tell Me What’s Inside Your Heart‘, immer wieder bringt er ‚Slaughterhouse‚ nämlich den Kniff bei, nicht nur in die Vollen zu gehen, sich im Sound und Songwirting immer wieder eine Frische Prise zu gönnen, die harten Parts dadurch noch markanter und scharfkantiger austeilen zu lassen. Das erste Studioalbum seiner neuen Band fängt den Duft des Verbotenen so unheimlich verführerisch ein, zeichnet ein Bild von Dekonstruktion als Ventil für Kreativität und Zügellosigkeit. Im abschließenden ‚Fuzz War‚ brechen dann ohnedies alle Dämme: kein Gesang mehr, keine Riffs, keine Hooks – nur noch Feedback, Drone und Noise, die Möbiusschleife zur ersten Minute des Openers ‚Death‚ schließt sich. Die Ty Segall Band hat sich ausgepowert, die Instrumente an den Rand der Erschöpfung gequält, ihren eigenen Exorzismus am zeitgenössischen Rock ’n‘ Roll betrieben. „I don’t know what we’re doing!“ schreit Segall ‚Diddy Wah Diddy‚ hinterher. Ob das stimmt – egal. Besser getan hat er es eben nämlich noch nie.

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