Wiegedood – There’s Always Blood At The End Of The Road

von am 3. April 2022 in Album

Wiegedood – There’s Always Blood At The End Of The Road

Vier Jahre nach dem Abschluss der De Doden Hebben Het Goed-Trilogie öffnen Wiegedood mit There’s Always Blood at the End of the Road ein enorm aggressives Ventil für ihren Black Metal.

Für mich fühlt es sich an wie ein Soundtrack für einen Film, der noch gedreht werden muss. Ein Film über die schmutzigsten und ekelhaftesten Seiten der menschlichen Natur und der Gesellschaft und über den Kampf, den wir darin führen, wenn wir versuchen, die Tatsache zu überwinden, dass wir alle aus demselben Schmutz gemacht sind.“ versucht Levy Seynaeve das vierte Album seiner Band zu charakterisieren.
Ein Nihilismus, der bedeutet, dass Wiegedood tatsächlich noch schneller, brutaler, bösartiger und angepisster agieren als bisher bereits, eine atemlose Dringlichkeit provozieren, die das eigentliche Highlight der Platte ist: All der Hass hier muß einfach so unbedingt raus, diese Getriebenheit ist existenzialistisch, und kein Diktat des Genres an Form und Inhalt.

Während das Songwriting dieses verzweifelte Auskotzen in kürzeren, kompakteren Kompositionen destilliert, geht der straighte Zug nicht auf Kosten der Eingängigkeit oder verspielten Bandbreite.
Ästhetisch ist There’s Always Blood at the End of the Road durchaus variabel, dynamisch und ausgewogen, assimiliert vom Screamo bis zum Crust tendenzielle Nuancen in seinem kraftvoll und klar produzierten Sound, der das belgischen Trio aus den eingefahrenen Bahnen holt und Puristen freilich abstoßen wird. Da inhaliert der Geschwindigkeitsrausch von And in Old Salamano’s Room, the Dog Whimpered Softly etwa den Doom, hypnotisiert Noblesse Oblige Richesse Oblige mit atonalen Melodie-Schraffuren und Math-Methoden, während Until It Is Not zur Mitte den Groove revidiert und hinten raus im Noise badet. Das überragende Now Will Always Be wächst dort als Herzstück der Platte aus der ambienten Ruhe zum Obertongesang, um als schamanistische Gebetsmühle-Raserei mit einem Mantra der oszillierenden, so geschickt deklinierten Gitarre zu explodieren – eine melancholische Tragik schwingt dabei allerdings erhebend mit.

Das kernig an der rostigen Acoustic-Gitarre gezupfte Americana-Interlude Wade macht danach Platz zum Atmen, fällt aber stilistisch aus dem Rahmen, bevor Nuages den scharfkantigen Stakkato-MO von Liturgy zähnefletschend aufreißt, postmetallisch über einen verstörenden Abgrund bratzt: Diese Achterbahnfahrt nimmt in ihrer Eile viele Ideen mit, forciert auch die Langzeitwirkung, durchwegs homogen.  Das Finale mit Theft and Begging und Carousel gibt sich deswegen so wild und infernal wie hirnwütig und unberechenbar, abrupte Wendungen und Enden inklusive.
Dass manche Songs – aber keiner derart penetrant wie der Opener FN SCAR 16, der im wütenden Tunnelblick rotsehend eskaliert – gelegentlich durchaus dazu neigen, ihre Riffs über Gebühr zu repetieren und erst als letztes Entgegenkommen vage zu mutieren, gehört durchaus zum System der kasteienden Katharsis, dem Wiederkauen des menschlichen Schmutzes: Wiegedood haben mit There’s Always Blood at the End of the Road ihr Spektrum erweitert, Sicherheiten hinter sich gelassen und ihr bestes, weil schlicht unterhaltsamstes Album aufgenommen.

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