Winterblood – Finsternis

von am 23. April 2021 in Album

Winterblood – Finsternis

Winterblood alias Stefano Senesi hat auf Kunsthall Produktionen eine ästhetisch perfekte Heimat gefunden, um das ursprünglich 2019 veröffentlichte Album Finsternis erstmals auf Vinyl zu veröffentlichen.

Inwiefern gerade diese Platte in einem seit 2008 auf knapp 30 Veröffentlichungen angewachsenen Output für eine solche physische Ehrung herausragt, lässt sich ohne Expertise nicht eruieren. Weil zugegeben: Im Zuge der Quasi-Wiederauferstehung von Finsternis reichte es nur zu einer stichprobenartigen Auseinandersetzung mit dem schlichtweg erschlagenden Werk des Mannes aus Florenz.
Gut möglich, dass man die hier aufgefahrenen 62 Minuten mit einem fachgründigeren Hintergrundwissen differenzierter betrachten und im Kontext die individualisierenden Stärken der Platte hervorheben könnten (was eine höhere Bewertung unabdingbar machen würde); mindestens ebenso groß scheint in der flüchtigen Bekanntschaft aber auch die Wahrscheinlichkeit, dann viel mehr eine kaum aus dem Œuvre erkennbare Gleichförmigkeit kritisieren zu müssen.

So oder so funktioniert Finsternis für sich genommen als aus dem Synth geborener Dark Ambient, der seine Ausstrahlung vom Black Metal übernimmt und die lichtschwachen Monate ungeachtet des ursprünglichen oder aktuellen Veröffentlichungsdatums des Albums über den Winter hinaus verlängert. Die Grundpatina aller vier Songs stammt irgendwo aus dem ätherischen Umfeld von Angelo Badalamenti und wandert über einen so nebulösen wie sphärischen Grundton, der imaginativ tatsächlich polare Welten auftut. Dennoch wirkt die erzeugte Melancholie eher wie das vage Versprechen, im Kern eine gewisse Wärme verbreiten zu können, anstatt wirklich eisig zu sein – nur finden die Soundflächen mit ihren nur minimalistisch variierten Klanginstallationen freilich nie zu einer Mitte, erklären den Weg zum Ziel. So ist das Ambiente latent düster und dystopisch, aber auch einladend und mystisch anziehend.

Während ein Kapitel II so vor allem auf eine monotone Stringenz setzt, scheint Chapter III hinter einem hypnotischen Drone die Erinnerung einer traurigen Melodie abzulichten, wie eine knapp vor dem Horizont liegende Gebirgskette, die dennoch außer Reichweite bleibt, noch nicht einmal dahingehend unbedingt Klarheit schaffend, ob etwaige Facetten nicht ohnedies nur Einbildung sind.
Diese Finsternis will und muß also intuitiv wahrgenommen werden – aktiv konsumiert würde es nämlich eine zu gravierende Rolle spielen, dass die vier Segmente einfach mäandern (wo eine kürzere Spielzeit für das Gesamtwerk wenig zweckdienstlich gewesen wäre, sind die Stücke für ihre überschaubare Substanz an sich doch alle zu lange ausgereizt) und aus Genre-Perspektive betrachtet auch wenig originär veranlagt keine wirkliche eigene Handschrift haben.
Als World Building und Gebrauchsmusik, sprich als Soundtrack für das Kopfkino, der seine Spannungen alleine aus der Wirkung auf atmosphärischer Ebene hinsichtlich der erzeugten Stimmung schöpfen muß, erfüllt Finsternis dann allerdings durchaus seinen Dienst: Eine Platte, die nicht wirklich etwas falsch macht, nur nichts so gut, um erste Wahl in ihrem Metier zu sein.

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