Cassandra Jenkins – My Light, My Destroyer

von am 15. Oktober 2024 in Album

Cassandra Jenkins – My Light, My Destroyer

An Overview on Phenomenal Nature hätte eigentlich der Schwanengesang von Cassandra Jenkins sein sollen. Stattdessen hat der unerwartete Erfolg der Platte der inzwischen 40 jährige Amerikanerin zum Durchbruch verholfen, und ihr die Freiheit gegeben weiterzumachen. Diese Entscheidung bildet nun den begünstigten Lebensraum des dritten Studioalbums My Light, My Destroyer.

Genau genommen stellt das (großteils am lichtbringenden Beobachten und kaum am destruktiven Zerstören interessierte) Werk nach einem eigentlich bereits zuvor abgeschlossenen Aufnahmeprozess für den Nachfolger der 2021er-Schönheit sogar das vierte Album der Wahl-New Yorkerin dar, wie Jenkins erzählt: „I was coming from a place of burn out and depletion, and in the months following the session, I struggled to accept that I didn’t like the record I had just made. It felt uninspired, so I started over.
My Light, My Destroyer hat als schwere Geburt jedoch nichts verkrampftes an sich, will sich keine Kraftanstrengungen abringen. Im Gegenteil.

Das Album fließt in nonchalanter Leichtigkeit, öffnet den übergeordneten Spannungsbogen, indem es entlang einiger wechselweise (und streng genommen auch etwas zu freigiebig) eingefügter Interludien den Druck aus dem Geschehen nimmt, den Fluss immer wieder zum Müßiggang einlädt und neue Freiheiten mit bescheidenem Wohlstand auskostet.
Die Atmosphäre und Aura der Platte gewinnen so an lockerer Natürlichkeit. Jenkins schöpft, ganz bei sich selbst angekommen, mühelos die Grandezza ihrer musikalischen Handschrift ab.
Im Umkehrschluss erzeugt My Light, My Destroyer so allerdings auch eine allgemeine Unverbindlichkeit, in der das Songwriting nicht die neuralgischen Punkte sucht, um zwingende Augenblicke zu kreieren. Erschafferin Jenkins flaniert durch eine ästhetische Wohlfühlzone aus angenehmstem Schönklang, wandert elegant durch meisterhaft arrangierte Szenenbilder voll flüchtig gehauchter Melodien, sanfter Gitarren und verträumter Hoffnung.

Die Amplituden klaffen dabei kaum auseinander. Egal ob nun der Upbeat näher zur soften Rock-Entspannung blickt (Clams Casino), die Trademarks gar anmutiger bratzen (Petco) oder Jenkins sich deutlicher von Kate Bush inspirieren lässt (wie im ätherischen Ambient von Delphinium Blue, das mit seinen Vocal-Loops und einer irgendwann dezent im Hintergrund sägenden Gitarre näher bei Ioanna Gika als bei Feist oder Aimee Mann stattfindet, sowie dem mit wärmenden Synths und Bläsern zum Julia Holter’schen 80er Pop träumenden Only One als veritabler Konsens-Hit).
Es ist einfach entwaffnend betörend, einem kraftvoll verpuffend an der Hand nehmenden Signature Song wie Aurora, IL dabei zuzuhören, wie jedes Element unendlich weich streichelt, vom somnambulen Groove eines Omakase bei der Balance aus genügsamster Zurückhaltung und opulenter Instrumentierung andächtig verzaubert zu werden, oder Tape and Tissue dort als Seelenbalsam zu tragen, wo eigentlich die melancholischen Kleinode von Jon Brion die nächtliche Einsamkeit in überbevölkerten Megastädten untermalen.
Wenn Hayley orchestral Abschied nimmt, bleibt so zwar das Gefühl zurück, dass My Light, My Destroyer die herausragenden Highlight-Momente (des Vorgängers) fehlen und Jenkins es sich zu sehr in einem Easy Listening-Komfortbereich gemütlich gemacht hat. Gleichzeitig kann man gar nicht genug schätzen, welch wertvollen Rückzugspunkt die Musikerin hier mit diesen heimlich wachsenden 37 Minuten jenseits von Raum und Zeit abseits der tristen Realität des Alltags geschaffen hat.

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