Kinsella & Pulse, LLC – Open ing Night

von am 22. April 2025 in Album

Kinsella & Pulse, LLC – Open ing Night

Open ing Night für ein weiteres Rebranding: „The band formerly known as Tim Kinsella & Jenny Pulse, & before that as Good Fuck, have changed their band name one last time to Kinsella & Pulse, LLC, because this is, after all, show biz.

Open ing Night deutet den Clou vieler seiner Songs schon im Titel an: Wo Kinsella und Pulse den Pop postmodern abseits seiner angestammten Pfade dekonstruieren, gleich im fabelhaften Opener Sally die melodische Hook a la 90er-Sleater Kinney von zwanglos verqueren Gitarrenfiguren avantgardisch lockern und straighte Drums mit elektrischem Poltern flirten lassen, lösen sich Form und Inhalt gerne von konventionell Normen und sind in der ersten Hälfte praktisch eine durchgängige, mosaikhafte Prog-Suite.
Manche Stücke (nämlich Sally—> Love und später das Sperrfeuer Brutal—>) sind da reine Metamorphose zwischen zwei nominellen Stücken. Andere laufen gefühlt ewig ohne Ziel dahin, um auf den letzten Metern scheinbar wahllos eine komplett neue Passage auszupacken, die dann erst später im Verlauf wieder eine Rolle spielen können. Die pluckernde Indietronic von The Game, the Play, the Drama, the Dream dient etwa als dösendes Hintergrund-Schippern für ein experimentelles Gitarrenspiel, bis in den letzten Sekunden aus dem Nichts ein Drum Solo-Galopp auftaucht, den Quiet nur aufnimmt, um daraus ein Wechselspiel aus reitendem Duett und stoisch Repetition zu installieren, das sich für ein Weirdo-Geplänkel entscheidet.

Love gönnt sich einen plötzlicher Beat-Switch im Drums-Szenario des Minimalismus, während die Gitarren geduldig über der forschenden Jam-Attitüde weitermachen, um hinten raus auszufransen.
Das Material fließt so über ein Gerüst, das erkennen lässt, dass wir es es hier mit einer tourenden Indie Rockband zu tun haben – weil Jenny Pulse (drum machine, organ, crash, synthesizer, bass, Rhodes piano, drum pad und zumeist die vocals übernehmend) sowie Tim Kinsella (guitars, organ, snares, drum machine, harmonica und seltener die vocals beisteuernd) sich diesmal Unterstützung vom alten Joan of Arc-Tausendsassa-Kumpel Theo Katsaounis (second guitar, synthesizer, drums, samples, organ)…und Cooper Crain (cowbell, crash, cowbell, crash) holten. Nur ist die Gruppe eben kaum an den Möglichkeiten dieser Ausrichtung interessiert, will gar nicht zwingend zum Punkt finden, sondern unorthodox, psychedelisch und formoffen dösend die Peripherie erforschen. Und ja, das wächst!

In der zweiten Hälfte nabeln sich die einzigen Stücke dann klarer voneinander ab, kontrastieren sich im Songwriting und werden dadurch griffiger, ohne die grundlegenden Verhaltensmuster von Kinsella & Pulse, LLC aufzugeben.
Dann lehnt sich Brutal, the Way You Like weit in den Hip Hop und ist mit seiner tollen Melodie beinahe wirklich schmissig, derweil Watch and See eine Art Guided by Voices-Verneigung in einem Kraut-Meer samt Katharsis-Theatralik-Finale darstellt. Cracked Factory Wall ist dagegen betont ruhig und kontemplativ eine Skizze oder Momentaufnahme zur Slint‘esken Geste und  Immanence legt über den rhythmischen Minimalismus mit seinen Saiten einen bluesigen Western-Freigeist.
Als Album, das ganz wunderbar zu seiner Artwork-Wahl passt, ist Open ing Night jedoch primär auch ein sehr ambivalentes Erlebnis geworden. Wo es einfach toll ist, eine Band zu hören, die in ihrem Eklektizismus derart eigenwillig auftritt und ihre Vision so ganzheitlich greifbar macht, vermittelt das Duo (+) seine Musik nicht derart prägnant, dass sie den Hebel auf emotionaler Ebene wirklich zwingend, geschweige denn unmittelbar ansetzen könnte. Deswegen können die aufgefahrenen 41 Minuten auf die ersten Durchgänge weniger erfüllend, bisweilen gar frustrierend anfühlen – bis sich die Faszination ihre kunstvoll schrulligen PS immer schlüssiger auf den Boden bekommt.

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