Sophia Blenda [18.10.2025: Graz, Orpheum Extra]

von am 20. Oktober 2025 in Featured, Reviews

Sophia Blenda [18.10.2025: Graz, Orpheum Extra]

Culk-Frontfrau Sophie Löw erinnert im Orpheum Extra unter weitestgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit daran, dass sie vor knapp einem halbe Jahr mit Die Summe der Vereinzelung ein ganz wunderbares Zweitwerk als Sophia Blenda veröffentlicht hat.

Dass die darauf zu findende Musik gefühlt weitaus besser zum Beginn der dunklen Jahreszeit passt, als zum einsetzenden Frühlingsbeginn im April, macht es zusätzlich schade, dass das bestuhlte Orpheum Extra an diesem Oktober-Abend nur rund zwei Dutzend Besucher anlockt.
Zur intimen, tröstend warmen, eindringlichen – und aufgrund der Zwischenansagen auch überraschend witzig, sympathisch und kurzweiligen – Atmosphäre, die Blenda so distanzlos erzeugt, passt dieses Setting der relativen Einsamkeit jedoch irgendwie sogar. Es trägt zumindest seinen Teil zu einem Spektrum an Eindrücken dazu bei, die dafür sorgen, dass das Gastpiel der Wienerin in Graz der Seele besonders gut tut.

Sophia Blenda Sophia Blenda Sophia Blenda

Zusammen mit Veronika Adamski (die erste Hälfte des knapp einstündigen Sets an der Violine und später am Keyboard, dazu phasenweise als stimmliche Unterstützung bzw. Erinnerung an Just Friends and Lovers) und Bandkollege Johannes Blindhofer (mit zurückhaltendem Spiel zwischen Gitarre sowie Schlagzeug – dessen Snare man etwas zu aufdringlich und schroff für den sonst so behutsam und weich eingefangenen Sound finden kann – wechselnd) widmet sich Blenda (in nicht chronologischer Reihenfolge) dem Material von Die Summe der Vereinzelung fast vollständig (ausgerechnet das persönliche Highlight Deine Wahrheit fehlt allerdings), dazu kommen einige wenige Vertreter des 2022er-Glanzstücks Die neue Heiterkeit – allesamt mit der Bereitschaft für eine griffigere Sentimentalität in einer stimmigen (erst hinter der Bühne vergessenen) Setlist homogen (aber eben ab Wer du nie warst in zwei Hälften geteilten) zusammengefügt und unterstreicht jene Probleme unserer Tage, denen sie ihre Musik thematisch verschrieben hat, stilistisch umso markanter nachhallend mit einer würdevollen Zeitlosigkeit.

Wie Laut es War bekommt so digital ausgeschmückt eine dramatischere Kulisse, BH geht besonders aufwühlend unter die Haut. In Die Neue Heiterkeit huldigt Blenda im Alltag übersehenen Role Models und streut ihren Tanten als Anker Rosen, und für Fear is an Empty Space erzeugt das Trio eine beinahe Cave‘eske Dystopie, bevor Löw für 70’s Interior ausnahmsweise die Gitarre übernimmt. In Sad Girl Summer rückt der auf Platte hintergründiger begleitende Rhythmus mit dunkler Dominanz in der Vordergrund und verleiht der Nummer eine weiche Ahnung des Post-Punk im Dreampop und Shoegaze. Brief einer Unbekannten wird dagegen praktisch bis auf das Keyboard reduziert und die den Bogen schließende Zugabe Frühlingserwachen blüht geradezu jazzig rumpelnd auf. Theatralisch – ja; da hat die Wienerin schon recht. Aber wie gut dieses aus sich herausgehende, unangepasste Selbstfinden eben tatsächlich tut!
Blenda entfernt sich damit auf der Bühne nicht radikal von ihren Studioaufnahmen, aber weit genug, um sich neu in die Songs verlieben zu können. Dass es dafür in Graz kein größeres Publikum zu geben scheint, ist – mehr als alles andere – traurig. Weswegen man es Löw nur gleichtun kann, und den Veranstaltern Platoo für diese heimliche Nischensensation von einer Herzensangelegenheit danken muß.

Setlist:
Mein Horizont
Watch Her Heal
Wie Laut es War
Wo Bleib Ich
BH
Glorify Me
Wer Du Nie Warst
Die Neue Heiterkeit
Fear is an Empty Space
70’s Interior
Sad Girl Summer
Brief Einer Unbekannten
Ace
Frühlingserwachen

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