Absent from the Morning Headcount – Compos Mentis

von am 11. Juli 2025 in Album, Heavy Rotation

Absent from the Morning Headcount – Compos Mentis

Nicht, dass das nach den begeisternden ersten Live-Feuerwerken besonders überraschend käme: Absent from the Morning Headcount haben mit Compos Mentis das wohl beste Genre-Debütalbum seit Moirae aufgenommen.

Bei halbwegs klarem Verstand kann man dem Wiener Quartett und seinem ersten Album selbst ohne euphorische Erwartungshaltung wenig vorwerfen.
Gut, wer die Achse aus Screamo und Emoviolence grundlegend lieber progressiv als wertkonservativ angelegt, sie origineller und mit einer variableren Bandbreite anstelle einer fast stromlinienförmig auf den Punkt findenden Effektivität bespielt haben will, der wird bei Kollegen wie Ostraca, Blind Girls oder Nuvolascura glücklicher werden. Doch Absent from the Morning Headcount haben ohnedies noch Zeit, sich eine restlos eigenständige Handschrift zu erarbeiten, derweil sie für ihren Einstand auf einen nahezu perfekt umgesetzten Eklektizismus bauen – quasi das Schaulaufen im Standard findend.
Und dass sich die hochemotionale, so authentische Symbiose aus Texte und Musik hinter einem fast infantilen Humor in den Songtiteln versteckt, wäre streng genommen wohl nicht nötig gewesen, kann angesichts der dabei freigesetzten selbstkasteienden Katharsis aber (nebst einem loyalen Szene-Traditionsbewusstsein) womöglich als Schutzmechanismus interpretiert werden – hier wird ohnedies stets an offenen Wunden operiert, da kann ein Pflaster mit amüsant gemeinten MySpace-Flashbacks ruhig ein wenig vom existentialistischen Schmerz ablenken.

Also nochmal von vorne: Tatsächlich machen die sich sicher auf Szene-Ikonen wie Jeromes Dream oder Orchid verständigen könnenden – mutmaßlichen The Swarm aka Knee Deep in the Dead-Fans – mit Compos Mentis nahezu alles richtig. Indem sie die frenetische Energie ihres Live-Sets in Eigenregie aufnehmend so direkt und ungeschliffen wie möglich einfangen und beinahe atemlos durch 8 Songs in 10 Minuten zu wetzen – nur hornbach has all my cash nimmt das Tempo ein klein wenig raus und atmet vor der unvermeidlichen Detonation kontemplativer durch.
Gleichzeitig schärfen Absent from the Morning Headcount abseits der Bühne jedoch das Pacing und Sequencing ihres Materials, lassen kleine Feinheiten besser zur Geltung kommen, als auf Tour.
Alleine schon, wie der brutzelnde Bass in thesis nr. 100: i can have a little blasphemy as a treat nun markante Akzente setzen kann, bevor die Gitarre fast melodramatisch verzweifelnde Gesten in einer infernal aggressiven Grindcore-Hirnwut hinausschleudert, oder the barf stains spelled „eat more art“ sich als verdienter Abgang im Schatten seines superb hinabtauchenden Tieftöner-Sounds sonnen darf, unterstreicht, dass Compos Mentis mehr ist, als die Summe seiner Teile.

Getragen von einem zwingenden Momentum, dem entsprechenden Sound und der notwendigen Attitüde schreiben Absent from the Morning Headcount aber auch schlicht und einfach tolle, bisweilen (gerade voneinander dynamisch profitierenden Stück) regelrecht fabelhafte Songs.
i threw a rock off an overpass and killed a guy skandiert, bevor alle Dämme keifend brechen, entfesselt eine Sturm-und-Drang-Hysterie, pendelt dabei aber ausgewogen schrammelnd im polternden Zug nach vorne, melodischen Tendenzen kreischen in der intensiven Dringlichkeit grieselig. reclaim your tongue (massachusetts 1890) tackert hämmernd und streift den scheppernden Noise, das giftige Doppel what is home, if not the first place you try to escape? und shoulda listened to michael when he told me not to drink on antipsychotics 🙁 galoppiert den Punk-Aspekt der Platte anzapfend. Konstant unter Strom stehend wird hashtag deep immer manischer und entwickelt hinten raus einen psychotischen Hunger voll dissonanter Schrammmen.
Dass all diese Szenen gar keinen Gedanken daran verschwenden, sich überambitioniert zu verheben, sondern das Ventil im Rahmen der Möglichkeiten beinahe asketisch öffnen, trägt extrem kompakt und kein Gramm Fett beherbergend zusätzlich zum Reiz dieses kurzen Rauschs bei: So klingt das aus dem Stand heraus zum heimischen Maßstab Unable to Fully Embrace this Happiness aufschließende Versprechen, dass Absent from the Morning Headcount dem Genre künftig Großes abringen könnten.

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