Deftones – Private Music

Nein, Private Music ist nicht das Meisterstück, das die Herolde My Mind is a Mountain und vor allem Milk of the Madonna (sowie natürlich insgeheim auch weißes Getier am Artwork) vorab versprochen haben. Doch das geht absolut klar!
Die latente Ernüchterung (keine Enttäuschung – nur das definitive Fehlen der erwarteten Begeisterung) beim Erstkontakt wandelt sich nämlich konstant und rasch, ohne das Gefühl, sich das zehnte Studioalbum der Deftones schön hören zu müssen. Die subjektiven Störfaktoren lösen sich nämlich nicht unbedingt auf, aber beginnen sich zu relativieren, während Private Music sich als selbstreferentielles Amalgam immer mehr als Grower entpuppt.
Die Verortung scheint dabei nicht schwer. Im weitesten Sinne ist das zweitkürzeste Album der Diskografie nämlich die direkte, logische Fortsetzung von Ohms von 2020. Mit ähnlich kompakten Songs, die es sich durch einfache, konventionelle Strukturen und ohne wirklich aggressive Ausbrüche oder markante Kanten ein wenig zu einfach machen – zumal gerade die risikofreien Refrains eine Schwäche für die zu vertraute Gefälligkeit haben.
Dafür kann sich das bissfertige, über weite Strecken unspektakuläre Material im direkten Vergleich aber auf den fesselnderen, unmittelbarer an der Stange haltenden Sound verlassen: Unter Rückkehrer Nick Raskulinecz klingt die Band einfach griffiger und packender, vielleicht sogar ein wenig aufregender – nicht aber unbedingt interessanter per se -, als mit Terry Date.
Selbst ein Ecdysis (in dem eine skizzierte 80er-Synth-Welt vom Metal der lauernd-tänzelnden Rhytmussektion und Gitarren ungefähr dort in den Schwitzkasten genommen wird, wo Hum und Filter aufeinander hätten treffen können) als zumindest weitestgehend im Autopilot laufender, überraschungsarmer Abstecher in die Komfortzone wird von ihm ziemlich straff, zwingend und frisch einfangen, derweil Souvenir kurzerhand Genesis und Xerces in majestätischer, wenngleich nicht überwältigender Form assimiliert, und der angepappte Ausklang als Live-Intro von Minerva dem Ambient pastorale Flächen einräumt. Atmosphärisch dicht steht die Platte auch in den expliziteren Amplituden der Bandbreite dicht.
Die verschiedenen stilistischen Schraffuren dieser Signature-Gangart besorgt derweil ein abwechselndes Spektrum aus Assoziationen an frühere Alben des Deftones-Kanons.
Wobei die erste und zweite Single den weitestgehend (natürlich!) durch Diamond Eyes und Koi No Yokan geprägt scheinenden Hauptteil des Albums ausmachen – und sich inmitten der dabei vermessenen, knapp 30 minütigen Strecke von My Mind is a Mountain (einem, sich vom zu knapp gehaltenen Business As Usual-Einstand schnell zum scheinbar abnutzungsresistenten, catchy Ohrwurm gemausert habenden Top-Opener) bis Milk of the Madonna (diesem unfassbar schmissigen, fast poppigen Instant-Klassiker und unbedingten Hit an der prägnanten Essenz der Platte) praktisch mit jedem Durchgang neue Lieblinge in den Fokus drängen.
In Locked Club skandiert Chino zum schnippischen Stoizismus eilender Drums und doomiger Riffs. Der Chorus taucht ätherisch in die Schwere der Atmosphäre, als hätte Saturday Night Wrist die Dynamik von 2010 gehabt. Iim brillanten Infinite Source legt sich die markant Gitarre aus den 80ern mit schwelgenden Pathos in den Post-Feiticeira-Dreampop. Und CXZ erwacht mit verzweifelt konzentriert nach vorne getrieben Killer-Hook („One is up, one is down/ One is lost, one is There“).
Noch herausragender ist I Think About You All the Time, in dem das auch im Studio durch Tour-Bassist Fred Sablan erweiterte Quartett durch den Ballsaal der erhabenen Heaviness schwofend einer romantischen Ballade so nahe kommt wie nie zuvor kommt: womöglich der schönste Song der Bandgeschichte?
Und dann ziehen die Deftones dieser vertrauten Umgebung im letzten Viertel kurzerhand den Boden unter den Füßen weg, indem die Band, die sich immer gegen die Nu Metal-Kategorisierung gewehrt hat, tatsächlich zu Around the Fur zurückblickt.
Das rhythmisch herrlich verschobene Cut Hands ist (trotz eines abermaligen gelungenen Schema-F-Refrains) zumindest ein Flirt mit anschronistischem Rap Metal, wo Metal Dream regelrecht ska-dubbig übernimmt, den Chorus als zugänglich erhabene Gemütlichkeit zum Pop schiebend, und diese ausbrechende Passage der Platte zwar ein wenig willkürlich und aufsbaufähig erscheinen lässt, den Hörer aber seit langer Zeit wieder einmal auf dem falschen Fuß erwischt.
Zumal der Closer Departing the Body, ohnedies einen runden Bogen darum spannt. Indem er Chino rund um einen archetypischen Deftones-Abschied zeigt, wie man ihn noch nie gehört hat: im tief croonenden Klargesang. Ruhig und vorsichtig, um die Tochter des Sängers nicht aus dem Schlaf zu wecken. „There’s a room/ We hang in space/ It’s clear and cold„. Zumindest diese kurzen, intimen und verletzlichen Momente hätte das zehnte tolle Album der Band dann keinen besseren Titel wählen können. Oder Ansprüche erfüllen, indem es Erwartungshaltungen auch untertaucht.
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