Gouge Away – Burnt Sugar

von am 18. Oktober 2018 in Album

Gouge Away – Burnt Sugar

Traditionsbewusstsein alleine genügt Gouge Away nicht mehr: Burnt Sugar klingt, als wäre das Hardcore-Vermächtnis von Punch über das scheppernde Rock-Verständnis von Priests hin zu den Pixies über den Drive von Be Your Own Pet ausgeglichen worden.

Wo , Dies, das knapp zwei Jahre alte Debüt der Band aus Fort Lauderdale, vor allem damit beschäftigt war den Pit bis zum D-Beat anzukurbeln, nutzen Gouge Away ihr Zweitwerk nun nicht mehr primär alleine, um unter Beweis zu stellen, wieviel Frische sich auch aus eigentlich unzählige Malen durchexerzierten Genre-Standards des galoppierenden Punk und melodisch beißenden Hardcore tatsächlich noch herauspressen lässt.
Aber dass da eine gewisse Varianz in dem Quartett schlummert, die irgendwann rausmüssen würde, war ja eigentlich trotzdem schon beim , Dies-Closer Wildflowers klar, der sein Melodieverständnis mit viel klarem Gefühl einen versöhnlichen Ausklang bescherte.

Burnt Sugar knüpft dort an, macht den Sack aber bereits eingangs flott zu, holt alle an Bord und verändert das Wesen der Band erst vordergründig zwischen den Zeilen. Gerade zu Beginn prügeln Gouge Away knackige Brecher aus dem Handgelenk, packen zu, wirbeln über kompaktes Riffs und kurzweilige Abfahrten. Lassen Christina Michelle sich die Stimmbänder kratzig brüllen und in dem immer wieder gedrosselten Tempo sogar beinahe übersehen, was für eine niedergeschlagene, verzweifelt paranoide Angelegenheit die versammelten xx Minuten genau genommen sein können.
Mal stolpert das verschmitzter (Only Friends), mal poltert es poppunkiger (Fed Up). Slow Drown definiert, dass die energisch antreibende und doch vertrackte Schlagzeugarbeit selten den einfachsten und direkteste Weg geht, während sich die Band dahinter gerne auflehnt, auch in symptomatisch für die erste Plattenhälfte kurzen Sprintattacken explodieren (Hey Mercy), die es in weiterer Folge mit dem simpel keifenden Can’t Relate sowie dem wuchtigen Motor Wilt (I Won’t) nur noch zweimal geben wird.

Spätestens ab diesem Zeitpunkt wird nämlich klar, dass tiefer gehende Projektionsflächen eine breitere Basis benötigen – also öffnen Gouge Away ihren Sound mit Fortdauer von Burnt Sugar immer weiter, dehnen die Songs ausführlicher, zeigen tief in die 90er reichende Wurzeln, die zu Unwound, Noiserock- und Post Hardcore-Ansätzen. führen.
Subtle Thrill gibt ordentlich Gas, bis die Band auf einmal in einen Cramps-artigen Surf-nahen Groove umsattelt, die ganze Kombo als Backingchor miteinsteigt. Dis s o c i a t i o n (was ist das mit Gouge Away und obskurer Interpunktion?) übersetzt die Breeders in die Hysterie, auch Stray/Burnt Sugar mutet an wie ein Tribut an die Deal-Schwestern in weniger abgeklärt, der gar mit slackerhaftem Indie-Singalong flirtet.
Über allem stehen dann aber Ghost und Raw Blood: Ersterer ist ein ins Midtempo gedrosseltes Stück Alternative Rock-Heavyness, dazu ein schabender Bass – ein konsenstauglicher Hit. Die Strophen sind bittersüß gesäuselt, der Refrain bringt den manisch bohrenden Würgegriff, die konventionelle Struktur knallt im Kontext noch mehr. Und letzterer gibt als Closer den mit viereinhalb Minuten als Epos durchgehenden Closer, der aus dem schäbigen Noiserock langsam immer ungemütlicher erhebt, die Platte beinahe nachdenklich und ohne Exzess ausbluten lässt.

Womit Burnt Sugar auf dem richtigen Weg entlässt. Denn das emotional malträtierende Zweitwerk von Gouge Away ist tatsächlich immer dann am spannendsten, wenn die reine Hardcore-Grundlage aufgedröselt und das Tempo runtergefahren wird, sich die Dynamiken umschichten und es eigentlich egal bleibt, wo Gouge Away dann letztendlich ihre Basis haben – weil die Band nicht nur über die Energie ihrer Performance überzeugt, sondern ebenso durch ein Songwriting, das im zweite Anlauf an charakteristischen Szenen gewonnen hat, noch mehr Potential freisetzt, das es zukünftig noch selbstbewusster abzuschöpfen gilt.
Auch zu verdanken ist dieses Potential zum schweißtreibend Konsens übrigens der Produktion von Jeremy Bolm und Jack Shirley, die das wenige Fett getrimmt haben (und der Band etwa die Sprachsamples ausgeredet haben) und dennoch die Unberechenbarkeit, Auftrittsfläche und Varianz nach oben geschraubt haben. Allesamt Glücksgriffe, die Gouge Away vor ihrem möglichen Meisterstück in Position bringen könnten und den durch das durch den Wechsel zu Deathwish ohnedies gewachsene Publikum der Band noch weiter, weil substanziell vergrößern sollte. Verdient hätten es sich Gouge Away mit jedem energischen Anschlag hier.

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