Greet Death – Die in Love

von am 10. August 2025 in Album, Heavy Rotation

Greet Death – Die in Love

Auch wenn die EP New Low die sechs Jahre Wartezeit auf den Nachfolger des Greet Death-Meisterstücks New Hell verkürzt hat, fühlt sich Die in Love ein bisschen wie Comeback mit veritablen Neustart-Charakter an.

Da liegt daran, dass das dritte Studioalbum der personell gewachsenen und umbesetzten Band aus Michigan zwar einerseits gleich mit dem Titelstück-Opener und idealen Last Leg of the Human Table-Anknüpfungspunkt die via Dixieland und New Hell installierte Soundwelt auf vertraute und fast heimelige Weise zurückholt – inmitten der Brennpunkt aus getragenem Hum-Worshipping, melancholisch zurückgelehnten 90er-Alternative, Spacerock und Shoegaze. Andererseits treibt das Quintett den dabei praktizierten Eklektizismus aber auch insofern vorant, als dass sich Die in Love von Beginn an wie ein die Erinnerungen sanft verschwimmen lassendes Kaleidoskop anfühlt, das Bilder von Bands überblendet, deren Einfluss auf Greet Death überdeutlich und markanter denn je hervortreten.

Wo das Songwriting sowieso enorm poppig und zugänglicher als bisher angelegt ist, gewinnt – das seinen Titel für diesen Status Quo ideal gewählt habende – Same But Different als überdeutliche The Cure-Hommage bittersüß und sanft säuselnd Herzen. Der kraftvolle Unterbau der Rhythmussektion trägt das ätherische Gitarrenspiel, doch hinten raus fetzt die Nummer in einem exzessiven Finale jenseits des Goth-Ambientes heulend, schreit mit Krawall die Katharsis herbei. Noch knackiger zugänglich ist das nachfolgende Country Girl, das als entspannt-sommerlich plätschernder Indie-Singalong einen Instant-Hit im Kompromiss zwischen Death Cab for Cutie und Silversun Pickups serviert – eine waschechte Horrorstory und doch vor allem niedlich.
Red Rocket klingt dagegen, als hätte Will Toledo Drunk Drivers mit der entschleunigt geschleppter Gigantic-Strophe elegisch polternd umgeleitet, voller Harmonie schunkelnd. Emptiness is Everywhere ist als nächster Übersong Britpop-Nostalgie voll schwelgender Ride– und Slowdive-Sehnsucht vordergründig ein so versöhnlich-liebenswürdiger Hit, dahinter aber ein Schlag in die Magengrube: „And that’s how it goes/ Everyone gets nervous when the lights get low/ For the ones you know/ And the end comes slow/ Emptiness is everywhere, so hold each other close“.

Durch diese auf eine vielseitige Variabilität gebaute Balance aus zugänglichen Ohrwürmern und emotionalen Nackenschlägen auf der Inhaltseben vermittelt Die in Love in seinen ersten beiden Dritteln – also bis August Underground, das als eine Art Courage of Others langsam seine Kreise im Alternative Rock-Kontext dreht, eine kontemplative Aufbruchstimmung zeigend, die wehmütig unter Strom steht – zumindest ein wenig (aber eben weit mehr als sein so nachhaltig in sich geschlossener direkter Vorgänger) den Eindruck einer Songsammlung. Nichtsdestotrotz absolut homogen zwar, den eklektischen Zitate-Reigen mit eigener Handschrift stimmig und rund einfangend. Aber dass die Musik der (mittlerweile mit drei Gitarren arbeitenden) Band vor allem dann zur Hochform aufläuft, wenn das große Ganze schwerer wiegt als die selektiven Highlights (die sich auf diesem Drittwerk eben die Klinke in die Hand geben), demonstriert dann die überragende, eindrucksvoll kohärent in die Tiefe gehende Schlussphase der Platte.

Small Town Ceremony könnte eine Niedergeschlagenheit aus der Feder von Stephin Merrit sein, die ihre Lethargie bekümmerte in die tröstende harmonische Gemeinschaft legt, von wo Motherfucker so versöhnlich – ein bisschen Weise durch den Existentialismus treibend – Fahrt aufnimmt und so nonchalant schunkelt, als hätten sich Tim und Robert Smith auf eine Black Rebel Motorcycle-Ballade im Americana geeinigt, die lange ausschweifend alle Zeit der Welt bekommt.
Der Acoustic-Abspann von Love Me When You Leave beginnt nach diesem würdevollen Finale still im Slowcore, bei Sun Kil Moon und perlenden Saiten sowie gespenstisch betörend gehauchten Backing-Stimmen, als hätte Fences seine eigene Reverie Lagoon gefunden. Gemütlich ausplätschernd geregnet einem Zeilen wie „Feelings pass, people fade away/ Friends change, problems stay the same“ oder kleine Anekdoten am Abgrund des Lebens: „Taylor started losing his hair/ He’s been drinking with the man on the stairs/ Now he’s trying to make a joke about how dying ain’t so sad/ But no one laughs“. Dieser Tragik muss man mit lachenden und weinendem Auge begegnen, sie ist ebenso traurig wie schön – im Blick zurück wie nach vorne.

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