Panopticon – Laurentian Blue

Neben der in den Black Metal-Rückspiegel blickenden Compilation Songs of Hiraeth atmet Austin L. Lunn nach seinen 2023er-Meisterstück The Rime of Memory mit Laurentian Blue im naturalistischen Folk durch.
Dass diese Ausrichtung eine Herzensangelegenheit des vielveröffentlichenden Mannes aus Minnesota und zudem auch eine elementaren Facette von Panopticon darstellt, weiß man nicht erst seit The Scars of Man on the Once Nameless Wilderness. Seit spätestens damals ist aber auch klar, dass Lunn zwar diskussionslos ein überragender Black Metaller ist, der die archaischen Americana-Tendenzen in diesem seinem Hohheitsgebiet auch kongenial als nuancierendes Kontrast-Programm einzusetzen versteht. Konzentriert er jedoch seinen alleinigen Fokus auf die kontemplativ gezupfte Dark Folk-Acoustic-Gangart, mit der er durch verschneite Wälder stapft, erscheint seine Perspektive trotz bester Voraussetzungen schnell irritierend limitiert.
Laurentian Blue unterstreicht diese These leider. Zwar ist das Gesamtpaket schlüssiger ausgefallen, als es beim dualistisch erschlagenden 2018er Projekt der Fall war – alleine schon auch wegen der nunmehrigen Kompaktheit von 45 Minuten Spielzeit – und das Setting ist einnehmend und ästhetisch, gestaltet dichte Bilder vor dem inneren Auge. Es ist angenehm, sich in die Atmosphäre zu legen und gerade der nostalgisch unbeschwert eröffnende Liberation Song zeigt im Idealfall ein rundes, seine Simplizität eingängig und charismatisch einfangendes Songwriting, das deckungsgleichen Kollegen wie Aerial Ruin mindestens ebenbürtig ist.
Mit Fortdauer packen die angenehm rauh wärmenden, ihre existenzialistische Introspektive einladend auslegenden Nummern aber dennoch zu wenig. Sie erscheinen wie ein wenig zu ziellose Nabelschauen im Müßiggang, bleiben oberflächlich.
Das eigentliche Problem von Laurentian Blue sind dabei jedoch weniger Dinge, die Lunn wirklich falsch oder schlecht machen würde, als dass vielmehr jene Makel, ohne die die Platte einfach besser und überzeugender funktionieren würden, am peripheren Blickfeld die Wahrnehmung dominieren.
Im melancholisch schwelgenden The Poetry in Roadkill bekommt das instrumentale Wandern – und damit auch die Imagination – betörend viel Raum, doch endet die Nummer einfach zu abrupt. Besser gelingt da schon die grazile finale Phase der Platte um Broken Bars und Ely in the Dark, die jedoch zu diesem Zeitpunkt auch eine gewisse Redundanz zeigen. Im dahinplätschernden Ever North lässt sich Lunn (der allgemein für Vocals, Acoustic Guitar, Banjo, Resonator Guitar, Acoustic Bass, Square Neck Resonator und Accordion verantwortlich zeichnet) von Charlie Anderson und Andrea Morgan an den Violinen und Backing Vocals für geschmackvoll zurückhaltende Arrangements begleiten, wie im sentimentalen Flowers in the Ditch will jedoch betont die Essenz bedeutungsschwer gestikuliert werden.
Auch An Argument With God muss sich diesen Vorwurf gefallen lassen, wo Country-und Western-Anleihen für einen Kontrast in der Gleichförmigkeit sorgen, während in Zeitlupe behutsam stampfende Drums und eine Spoken Word-Erzählung im Zwiegespräch mit William Seay und Karl Burke dazukommt, nur eben phasenweise zu prätentiös gestelzt. Und in der munteren Banjo-Hatz Irony and Actuality kommt Lunn mit seiner wenig variablen Intonation kaum dem Geschehen hinterher, ist aber smart genug, um den kumpelhaften Aspekt in der Gemeinschaft zu forcieren – selbst, wenn der Abgang dadurch beinahe zur Selbstparodie verkommt.
Der 42 jährige ist als Folker definitiv gewachsen, doch verkommen viele Passagen der Platte unverdient nichtsdestotrotz zum potemkinschen Dorf, wenn tiefgründig gemeinte Texte samt gefühlvoller Performance zum Nachdenken anregen müsste, aber gerade auch in den beiden Coversongs (In Want to Be Alone von Jackson C. Frank und Down Along The Border von Richard Inman) seltsam tranig und bemüht bleiben, die Poesie in der Intimität oft unbeholfen erscheint, und bei einer Ausgangslage, die bei einer grundsätzlichen Liebe für das Genre eigentlich alle richtigen Hebel setzt, um unter die Haut gehend ergreifen zu sein, den Hörer seltsam passiv als wohlwollenden Betrachter außen vor lässt.
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