Saetia – Tendrils

von am 24. März 2025 in EP

Saetia – Tendrils

Tendrils kann und will die Erwartungshaltung an eine der legendärsten Screamo-Bands der 90er nicht stemmen, überzeugt dafür aber als veritabler Neustart für die guten Gewissens älter gewordene Band Saetia.

Es wäre freilich töricht gewesen, blind darauf zu vertrauen, dass die in New York ansässigen Szene-Veteranen (bei denen Steve Roche mittlerweile an die Drums gewechselt ist, während Neo-Gitarrist Tom Schlatter die Gruppe um Billy Werner, Adam Marino und Colin Bartoldus seit der Reunion 2022 vervollständigt) nach 26 Jahren Studio-Abstinenz – und vor allem ohne Jamie Beharr – immer noch gleich klingen würden (müssten? könnten? wollten?)- wie zu Zeiten ihres weiterhin einzigen Langspielers 1998.
Dennoch erwischen die drei neuen Songs wohl nicht nur Puristen auf dem falschen Fuß: Man muss sich so oder so mit dem Umstand arrangieren, dass Saetia sich für ihr zweites Leben zu einer anderen Band entwickelt haben.

Ein gutes Stück weit ist es so, dass sich Saetia stilistisch und ästhetisch nahezu komplett anders als bisher anfühlen – sich aber in einer gezügelten Leidenschaft und Manie, auch einer vermissten Explosivität, dabei dennoch ihren eigenen Charakter bewahrt haben. Als hätte sich Band in einem benachbarten Genre neu erfunden, ohne dafür ihre Wurzeln zu kappen, zeigt Tendrils rau und geschliffen, wiewohl kontrolliert ausgeführt und akribisch gestrickt Material, das einfach gediegener und abgeklärter, in jeder Hinsicht reifer auftritt, und sich nunmehr dort dem Post Hardcore verschrieben hat, wo der Screamo und Emo nur noch als Katalysator fungiert.
Ein bisschen so, wie At the Drive-In mit ihrem Comeback ein mathy Prä-In/Casino/Out-Ergebnis anvisiert hätten.

Die Spoken Word-Passage im Titelsong erinnert hingegen sogar an La Dispute, bevor sich Saetia postrockig pendelnd von Math-Einflüssen entfernen. Three Faces Past ruft die immer noch brillante Bass-Arbeit in Erinnerung, auf die die Band seit jeher bauen kann, erforscht aber vor allem die Reize einer melodischen Einkehr nach dem dringlichen Start, bevor das Highlight Corkscrew Spine angeekelt poltert und einen Biss zeigt, der beinahe das manisch angepisste, chaotische Momentum der „alten“ Saetia erzeugt.
Tendrils begeistert in dieser Ausrichtung nicht auf den ersten Blick oder holt mit pflichtschuldiger Fandienst ab. Jedoch wächst die EP und erweist sich nach einer annehmbaren Eingewöhnungszeit als erfüllende Zäsur. Gerade indem Sound und Attitüde der insgesamt 12 Minuten nicht jene Stelle massieren, wo Saetia (+) eine offene Wunde hinterlassen hat, drücken sie erfolgreich auf neuralgische Punkte einer nostalgisch aus der Zeit gefallenen Ästhetik und erzeugen eine Reibungsfläche, auf der sich aufbauen lässt.

Print article

Kommentieren

Bitte Pflichtfelder ausfüllen