Vern Matz – The Moon is a Harsh Mistress

Seit 2020 sprudeln die Veröffentlichungen ohne erkennbare Anstrengung aus Vern Matz heraus. Dass The Moon is a Harsh Mistress jedoch eine verhältnismäßig schwere Geburt war, hört man der Platte konsequenterweise kaum an.
Daniel Belgrad hat sich schwer getan, das (schätzungsweise ca.) siebente Album seines offenbar vom Bandprojekt zur Solo-Plattform gewordenen Alter Ego Vern Matz loszulassen:
„It is a shame it took so long for this album to see the light of day. It took 10 days to record The Moon Is A Harsh Mistress, during the final days of 2021, over a stretch in Los Angeles where it rained every day. It is only a year younger than Perennial, which has already been out for 4 years. I suppose that makes Moon an introvert.
I did not release this album, in part, because it was my record and my confidant for a long period of my life. I preferred it that no one else should hear it or have any opinion of it. Other musicians might understand that your songs become something else entirely when they are colored by the reactions, good or bad, of other people. And for a long time, I suppose I was not ready for that, or otherwise greedy, or otherwise short-sighted.“
Das einzige Stück, dem man anzuhören meint, dass es eine ausgedehntere Zeit im Brutkasten hinter sich gehabt haben könnte, ist der nostalgische Schunkler Daisy II, der „als langweiligst zu spielender Song“ jedoch höchstens ein bisschen zu lang geraten ist, bis der schwelgende Instant-Ohrwurm hinten raus im Tempo anzieht, sonst aber die Vorzüge von Vern Matz vor allem mit einer konventionellen Massentauglichkeit interpretiert, die man so konsequent ausformuliert noch nicht von dem Projekt gehört hat.
Vielleicht ist The Moon is a Harsh Mistress dazu generell eine kleine Spur geschliffener als seine Vorgängerwerke, doch speist sich das Album dennoch aus derselben, angenehmen, unspektakulären Unaufgeregtheit, die so vertraut und heimelig in loser, natürlicher Vergänglichkeit einnimmt. Die stimmungsvolle Atmosphäre lässt die Kompositionen sanft schlüpfen, bringt ihnen keine nachträglichen Ecken und Kanten bei, geht ruhig und beinahe andächtig ins Ohr.
Das ist Musik, die Nostalgie und Wehmut erzeugt, und gleichzeitig weiche Wärme und Trost spendet.
Turns Out holt insofern gleich als entspannter Indie-Rock ab, der ebenso ruhig wie verträumt melodisch und kurz angebunden angelegt ist. In Sideliner agiert das gesamte Instrumentarium zurückhaltend wie im Slowcore – ein bisschen darf die Gitarre jedoch schimmern und von Solos träumen, doch selbst der krönende Abschluss passiert so subtil, dass er in einem Rutsch verpufft. Und Harsh Mistress droht zwar zu plätschern, doch justament, wenn der Song in die Weite des Jam aufzubrechen andeutet, ist das Ende erreicht. Kurzweiligkeit und Unkompliziertheit gehen eben weiterhin über alles. Ein bisschen Gleichförmig schadet nicht, das Verweilen in der Komfortzone ohne überwältigende Szenen erweist sich gar als Tugend.
An den grundlegenden Assoziationen hat sich dazu wenig geändert. Auch wenn man diesmal weniger oft an den Folk von Wilco im verhuschten Bedroom-Modus denken muss. Aber Wayne Coyne und die Flaming Lips (wie im mit ein bisschen organischem 80er-Indietronica-Flair ausgestatteten Racer) scheinen da insgeheim weiterhin ständig im charmanten Minimalismus mit intimen John K. Samson-Vibes zu liebäugeln.
Das auf ein bisschen Gitarre und Klavier reduzierte The Great Flood of `79 pflegt so eine Melodie, die Cuomo Rivers ebenso wie Elliott Smith gefallen könnte. Das schüchtern jede Lautstärke vermeidende Bullseye arbeitet später dagegen umsichtig mit Stimm-Harmonien und Mundharmonika in den erweiterten Arrangements zwischen den heimlichen Rückzugspunkten von Chastity. Oder dort, wo Real Estate von jedem Windhauch verweht werden könnten. Ducks in Row deutet eine gemütliche Aufbruchstimmung zum Americana an, die Springsteen und Fences zusammenbringt: Vern Matz hat mit seinem Minimalismus und Charme eben immer schon in ein Umfeld gepasst, in dem Playground Love reibungslos neben Dancing in the Dark und After Hours stehen kann.
Dass Belgrad nicht mehr im so passenden Umfeld der Nice Guys zu veröffentlicht, ist dann vielleicht dennoch stimmig für eine Platte, die im Zeichen von Abschlüssen und Abschieden zu stehen scheint – und die das Ende vorwegnimmt:
„Still, I will say that, at the time, I had given up on a great many things, but done so with a quiet reassurance, and in retrospect, given way to the most productive years of my life. I have since returned to New York City, and have two more albums to make ten before age thirty. It is only right that all my albums should exist long in the past so that I can remark, „of course I remember when I was that way. How foolish and naive and young I must’ve been.
My final two albums will be called ‚Earthbound‘ and ‚The Maine Solar System Model‘, and they will be far more ambitious than anything I have taken on to this point. Until then, I hope Moon can prove to be somebody’s companion. It has been mine for long enough.“
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