Viagra Boys – Viagr Aboys

Reifer gewordene Viagra Boys feuern ihr Dance-Post-Punk-Revival auch mit dem quasi-selbstbetitelten Viertwerk Viagr Aboys als eine der zuverlässigsten – besten! witzigsten! interessantesten! – Vertreter ihrer Sparte durch.
Zwar ringen die Schweden ihrem Trademark Sound nicht derartig explizit herausragende Highlights wie auf den Vorgängeralben Street Worms (2018) Welfare Jazz (2021) und Cave World (2022) ab. Dafür herrscht auf der vielleicht variabelsten, vielseitigsten Platte der Schweden auch das bisher grundlegend höchste Niveau der Diskografie.
Denn wo die Produktion so viele unkonventionelle, spannende Entscheidungen trifft (man höre bitte alleine schon den halluzinogenen Minimalismus des schamanenhaft klatschenden Fiebertraums Best in Show Pt. IV), die Texte wohl amüsanter denn je sind und die aus der Komfortzone gelehnten Nummer wie immer besonders überzeugend geraten sind (weil das gemäßigte Medicine for Horses wie die Andeutung eines Songs klingt, der Arcade Fire nicht mehr gelingen kann, Store Policy mit elektronischem Downbeat-Rasseln als paranoider Trip Hop-Trip auf exotischen Tropical Fuck Storm-Club-Drogen experimentiert und das still am Klavier sinnierende River King unter einem lethargischen Bläser-Mond sitzend einfach zu verletzlich, fragil und schlichtweg schön ist, um Satire sein zu können), ja dort gelingen all die in den Trademark-Sound abzielenden Stücke einfach bestechend gut.
Gut, die manische Oldschool-Unterkühlung Dirty Boyz sowie You N33d Me (das mit Geschichtskenntnissen und sozialem Bindungs-Bewusstsein den hartnäckigen Ohrwurm auf inhaltlicher Ebene erzwingt) sind streng genommen vor allem solide Standards – aber im allerbesten Sinne. Und dass gleich der Opener Man Made of Meat rumpelt catchy joggend und rülpsend erzählend über schneidenden Gitarren arg simpel als absolut verdiente Single neben seiner später folgenden Variation Waterboy praktisch alle richtigen Hebel drückt, um den Fanpleaser zu machen, spricht auch für Viagr Aboys.
The Bog Body besticht danach vor allem durch seine rauhe, rohe Kante im hungrigen Zug nach vorne hungrig und hat zudem Wah Wah-Spaß und Saxofon-Exzess Schlepptau, derweil die coole Ästhetik von Uno II psychedelisch schimmert und die Flöte auspackt, vor allem aber durch das soulige Tandem mit Klara Keller seine Schmissigkeit ausspielt. Pyramid of Health setzt dagegen auf einen 90s-Vibe a la Marcy Playground, über den die schlappenden Rhythmik einer relaxten Crossover-Motorik tuckert.
Die Abkehr von politisch motivierten Songs zu einem „juxtaposing real life with high art„-Songwriting erzeugt vielleicht keine ikonisch verwertbaren, Hype-entfachende Hits wie Sports – aber dafür erfrischend unverbrauchgte Songs, ohne die zukünftige Best of Compilations der Band nicht auskommen werden.
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