American Nightmare – American Nightmare

von am 12. März 2018 in Album

American Nightmare – American Nightmare

Eineinhalb Dekaden sind seit dem zweiten – unter dem zwangsweise angeschafften Interims-Banner Give Up the Ghost veröffentlichten – Album der Bostoner Hardcore-Institution American Nightmare vergangen. Und immerhin sechs Jahre seit der Reunion unter dem ursprünglichen Namen. Das selbstbetitelte Drittwerk von Wesley Eisold und Co. hat es vielleicht auch deswegen eine Spur zu eilig.

Bei nur neun Songs in 19 Minuten muss man aufpassen, nichts zu verpassen. Gerade auf die ersten Durchgänge klingt American Nightmare dann auch tatsächlich eher wie ein flüchtig bleibendes Comeback, dass sich zwar rundum souverän durch einen anachronistischen Hardcore dekliniert, dabei aber kaum nachhaltiges Gewicht auf den Boden bringt. Sicher: Die Platte geht praktisch unmittelbar gut rein und kurbelt den Pit schmissig an, liefert dabei aber dann doch nur zu unverbindliche Szenen. Man vermisst eventuell auch einfach zu einem Gutteil das fiebrige, manische und verzweifelt getriebene Element der beiden agressiveren (in)offiziellen Vorgängeralben.
Am auffälligsten ist da über weite Strecken, dass Frontmann Eisold vor dem existentialistischen, lyrisch wie immer großartig emotionalen Hintergrund mittlerweile melodischer agiert als bisher, ein bisschen heiserer geworden ist, und deswegen klingt, als würde Toby Morse von H2O sich das Mikro mit Matt Caughthran teilen, um ein punkiges Leichtgegengewicht für The Bronx zu installieren.

Klar, all die Beschäftigungsplätze der Bandmitglieder seit dem Split 2004 – unter anderem The Hope Conspiracy, Some Girls, Head Automatica und am gravierendsten natürlich Eisolds Flaggschiff Cold Cave – haben mal subtiler, mal offensichtlicher ihre Spuren im Sound von American Nightmare gelassen. Die Vorabsingle The World is Blue drosselt etwa das Tempo im nichtsdestotrotz klassischen Bandsound minimal für flehende Rockrhythmik, Crisis of Faith shiftet die Dynamiken zwischen melancholischer Outlaw-Geste und drückendem Energieschub mit einem Gespür für eingängige Szenen und Colder Than Death klingt dann gleich wie eine Assimilierung von Eisolds düsterem 80er-Synthwave: Ein fies bratzender Bass und polternde Rhythmik begleiten den beschwörenden Sprechgesang in einen latenten Goth-Vibe, dem letztendlich aber der wirklich zündende Geistesblitz fehlt.

Über derartige Exkursionen schälen sich nach und nach dann auch doch durchaus markante Qualitäten im Songwriting heraus, das sich über weite Strecken ansatzlos der Fortführung der eigenen Legende anbietet. Flotte Punkrocker (American Death) holen ansatzlos ab, doch erst ein War zeigt die Möglichkeiten der Band tatsächlich euphorisierend auf, wenn die Gitarre in die Auslage gestellt wird, erst kratzend, dann fliegend, während sich die Band zu ihrem Melodiegespür immer packender in Freiheit spielt.
Gloom Forever macht hinten raus für einen waschecht flehenden Emo-Part Platz und zieht die Zügel gelungen an, das tolle Lower Than Life ist straighter Hardcore mit offengelegten Wurzeln, bis die Band den Schwenk in eine mehr hardrockige Richtung wahrnimmt. In seinen besten Momenten lässt American Nightmare keine Fragen offen, ob diese Rückkehr eine essentielle Erweiterung  für den Kanon der Bostoner darstellen kann – hier wird kein Denkmal demoliert, an der Legendenausformulierung hetzt die Band aber doch mit solider Überdurchschnittlichkeit  vorbei.

Dass American Nightmare den rasanten Albumfluss mit unausgegorenen (jeweils knapp 40 sekündigen) Skizzen wie Flowers Under Siege (ein zerissenes Intermezzo, dass sich für keinen strukturellen Ansatz entscheiden will und als zu kontrolliertes Chaos letztendlich nur textlich bleibenden Eindruck hinterlässt) oder Dream (eine Oldschool-Eskalation am Drumset, aber eben kein Song per se – zumal auf Platte nur schaumgebremst intensiv) auffüllen, passt genauso atemlos und instinktiv in das Konzept, wie es das eigentliche Manko der Platte vorführt: Es fehlt diesem Comeback schlichtweg an den wirklich herausragenden, vielleicht sogar ikonischen Szenen, um sich über bereits rekrutierte Fanschichten eine tatkräftige Relevanz im aktuellen Hardcore-Game zu sichern.
Vielleicht aber auch symptomatisch für American Nightmare an sich. Klangen Background Music und We’re Down Til We’re Underground noch als die zwingend notwendigen, angepissten und unbedingt notwendigen Ventile für Eisold und seine Dämonen, scheint er mit dem Comeback doch vor allem der ungezwungenen, ausgleichenden Freude am Hardcore kurzweiligen Ausdruck zu verleihen. Darauf lässt sich aufbauen.

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