Godspeed You! Black Emperor, Maja Osojnik [24.04.2024: Orpheum, Graz]

von am 26. April 2024 in Featured, Reviews

Godspeed You! Black Emperor, Maja Osojnik [24.04.2024: Orpheum, Graz]

Godspeed You! Black Emperor gehen live einfach immer. Und machen beim Graz-Stopp ihrer irritierenderweise als G_d’s Pee AT STATE’S END! Tour laufenden aktuellen Konzertreise vor allem den Mund wässrig, was den im September oder Oktober 2024 erscheinen sollenden achten Langspieler des Postrock-Orchesters angeht.

Wilde Spekulation als eröffnender Exkurs an dieser  Stelle, aber: Hat der Umstand, dass die Show vom Dom im Berg, wo die kanadische Institution bereits vor knapp viereinhalb Jahren einen legendären Pre-Pandemie-Abend an die Stollenwände zauberte, in das kleinere Orpheum verlegt und hier nun zudem größtenteils bestuhlt bespielt wurde (gut für alle, die rechtzeitig kamen, um einen der zahlreichen Sitzplätze zu ergattern; schlecht für die Menge, die sich nun im hinteren Bereich der offiziell ausverkauften – aber durch diese Maßnahmen Platzmäßig eben deutlich überschaubarer als der Raum im Schlossberg angelegten – Location drängt) eventuell mit den Vorverkaufszahlen für das neuerliche Graz-Gastspiel von Godspeed You! Black Emperor zu tun?
Wenn ja, ist die daraus mutmaßlich resultierende Umzugs-Konsequenz sicher angenehmer, als beispielsweise die relativ ansatzlose Absage der für Februar angesetzten Swans-Show im DiB, sie nährt dies allerdings auch (angesichts keinerlei Einblicke in die tatsächlichen Gegebenheit habend eigentlich absurderweise) Sorgen angesichts des für Juni auf den Kasematten stattfinden sollenden Kim Gordon-Gigs (gerade nach dem offiziell angesichts eines „logistical conflict“ bereits gestrichenen München-Gastspiels der Sonic Youth-Ikone).

Wie auch immer. Keine Gedanken muß man sich zumindest über die nahe (Alben-)Zukunft von Efrim Menucks Postrock-Flaggschiff machen, denn das auf dieser Tour rund die Hälfte der Setlist einnehmende Material der kommenden Studioplatte stimmt verdammt zuversichtlich, was die anhaltende Qualität des Godspeed-Outputs in deren zweitem Leben angeht.
Nachdem sich das achtköpfige Kollektiv zur aktuellen Inkarnation des Hope Drone auf der Bühne versammelt, erzeugen die in Fankreisen angesichts der dazugehörigen Filmprojektionen pragmatisch als Flowers (eine unspektakulär zuverlässige Aufwärmübung in Sachen majestätischer Eleganz), Flames (aus der jazzig Repetition heraus nimmt die Gruppe hier Schwung und stampft die Blumen im triumphalen Marsch zum Flammenmeer) und Feathers (ein fiependes Pfeifen wird moduliert, bäumt sich unmittelbar heroisch auf und entwickelt nach der Einkehr in melancholische Landschaften einen geradezu dringlich-manischen Drive samt zu abruptem Ende) bemannten Vorschauen auf den Nachfolger des (an diesem Abend kaum in der Setlist vertretenen 2021er-Glanztat ein erhebendes Gefühl und im traumwandelndem Sog eine absolut typische, rauschhafte Tiefenwirkung.

Das relative Problem, dass beinahe alle Goodspeed-Werke seit der Reunion haben (nämlich, dass die überlebensgroßen Klassiker der ersten Bandphase unerreichbar über allem thronen und man damals gefühlt einfach alles bereits schon noch besser von dem Kollektiv vorgesetzt bekam) wird da beinahe nebensächlich – aber eben auch irgendwo doch offensichtlich, wenn die Kanadier hinten raus mit unkaputtbaren Genre-Maßstäben doch noch vertrautes Material präsentieren.
Dann reichen Schübe von apokalyptischer Geduld mit martialischer Anmut fließend in den stoischen Groove samt bittersüß-trauriger Nostalgie und richten sich prägnanter denn je auf das Schlagzeug konzentriert zu immer wieder ikonischer Überwältigung auf: Das aus der Kakophonie geborene East Hastings-Segment The Sad Mafioso gerät als Höhepunkt zur bisher perfektest dargebotenen Live-Version des Stücks (auch wenn der Silver Mt. Zion’eske Harmonie-Einsatz auf der Bühne vielleicht eine Nuance zu weit zur Stadion-Kurve zu schielen droht).

Trotz dieses genialen Finales, das sich dann verdient im grandios gebastelten Drone-Abspann suhlt, gerät die fast zwei Stunden umfassende – und übrigens auch mitgeschnittene – Setlist um ein Quäntchen zu kurz (oder eher: einen weiteren Evergreen zu wenig auffahrend?) für einen restlos befriedigenden Gesamteindruck.
Dennoch gibt es wenig zu meckern – selbst wenn Maja Osojnik und ihre zu abstrakter Clusterfuck-Elektronik rezitierten, schonungslos gemeinten Banalitäten subjektiv betrachtet abseits des feinen, choral aufehenden Klimax bald langweilen und es dem Support Act nicht an eklektischem Profil, aber jeder Intensität fehlt: der (angenehm laut den Raum flutende) tolle Sound des Orpheums, stimmungsvoll die Atmosphäre verdichtende Visuals (von einem in den ruhigen Momenten leider zu laut ratternden Projektor), ein weitestgehend andächtig lauschendes (und gelegentlich an willkürlichen Stellen applaudierendes) Publikum sowie eine in der umhüllenden Finsternis konzentriert spielende, ergreifend einnehmende Band mit einem Gespür für dramatische Dynamiken, erlebbar zu einem mehr als fairen Preis – da passt eigentlich ungeachtet des einen oder anderen ausblendbaren Schönheitsfehlers einfach alles.
Also gilt weiterhin: Godspeed You! Black Emperor gehen live einfach immer.

Setlist:
Hope Drone
New Song 1
New Song 2
New Song 3
First of the Last Glaciers
East Hastings: The Sad Mafioso

Godspeed You 2 Godspeed You 3

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