Birth and Loss – Birth and Loss

Nachdem er den Gridlink-Wurzeln ein nahezu perfektes Update verpasst hat und mit Barren Path demnächst das Erbe von Coronet Juniper (2023) antreten wird, findet Takafumi Matsubara noch die Zeit, um mit Birth and Loss die Grenzen des progressiven Grind auszutesten.
Noch beeindruckender an den aufgefahrenen 9 Minuten hier als die Zuverlässigkeit, mit der man sich Veröffentlichungen aus dem Hause Roman Numeral Records auch ungehört in die Plattensammlung holen kann, und damit nie danebengreifen wird, ist die absolut unfehlbare Klasse des Genre-Ausnahmegitarristen: Die selbstbetitelte erste EP von Birth and Loss – für die Matsubara mit Palm-Derwisch Toshihiko Takahashi an den Vocals, Bassist Rahat Mostafa und Schlagzeuger Kenta Nakanishi eine performancetechnisch unter Strom stehende Gruppe aus Virtuosen um sich gescharrt hat – tritt ohne Scheuklappen in Matsubaras zwei Solo-Ausflüge Strange, Beautiful and Fast (2019) sowie Mortalized (Poison Ep) (2021), macht dabei aber auch den Spagat zu Swarrrm.
Das Label stapelt also eigentlich tief, wenn es verspricht: „The six songs on the release represent the most cutting edge of modern grind, where pristine production and immaculate instrumentation meet unhinged yet nuanced compositions, never straying from its demolishing path albeit occasionally pushing towards more experimental territories.“
Die manische Hysterie im Titelstück schreit exemplarisch mit skandierender Theatralik, die Gitarren jubilieren auf einer melodischen Tour de Force, wild auf mehreren Ebenen verzahnt. Eine extremer Sturm und Drang-Attitüde eskaliert ebenso heroisch wie psychotisch, findet später aber auch catchy Stop-and-Go-Riffs, als wären Helmet von der Tarantel gestochen worden. 暴力の温もりpoltert und schleudert seine Saiten dort wie irre auf die Rhythmusgruppe, muss sich aber den Vorwurf gefallen lassen, zu abrupt abgeblendet zu werden.
人間性に回帰する消耗品 ist eine punkige Highway-Verfolgungsjagd um eine geifernd-predigende Kanzel mit mit immer neuen Exzessen (aber ohne final zwingendes Ziel) und 勝つしかない人と負けるしかない人 macht den U-Turn durch jazziges Schlagzeug und eine zurückgelehnte, düster beschwörende Dramatik als seltsam abgeklärt-flüsterndes Skandieren eines Yakuza’esken Monolog im grollenden Verlangen, während das Setting Drumherum Purzelbäume zu schlagen beginnt und den Rock als wahnsinniges Achterbahn-Labyrinth samt Solo interpretiert.
孤独が嫌で孤独になった bremst das Geschehen als Nebenhandlung aus, nimmt einen knubbeligen Bass und zappelnde Drums als Rahmen seines Fusions-Sounds. Dazwischen brettert tackernd der Videogame-Mathrock als kontemplativ-stoisch erzählter Fleischwolf, und Snsと積み木崩し brettert konventioneller und unorthodox zugleich: eine lässige Action, die als Abriss unbedingt Spaß macht.
Dass noch nicht alle Räder dieses Sounds restlos rund ineinander greifen, ist kein Malheur: Birth and Loss versprechen dem Genre praktisch schon mit dieser ersten Kostprobe ihres Potentials – so voller Biss, Hunger und intensiver Energie strotzten – ein kommendes Meisterstück. Bei aller so ausgelösten Euphorie scheint es also angebracht, hier zwischen den Punkten nicht auf- sondern abzurunden, und wertungstechnisch Luft nach oben zu lassen – ohne eine der jetzt schon besten Grind-Scheiben des Jahres in ihrem mitreißenden Momentum dadurch unter Wert verkaufen zu wollen.
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