Caroline – Caroline 2

von am 29. August 2025 in Album

Caroline – Caroline 2

Die – gen Blur und Coldplay – augenzwinkernden Songtitel verraten es implizit bereits: das Londoner Oktett hat für sein pragmatisch nummeriertes Zweitwerk Caroline 2 zwei Jahre nach dem Debüt subjektiv gesehen an den exakt richtigen Stellschrauben gedreht.

Das folkige Avantgarde Postrock-Kollektivs meißelt seine strukturoffenen Klanggebilde aus simplen, aber dissonant aufgelegten Melodien nun aufgeräumterer aus dem Sound und der Ästhetik der Vorgängerplatte heraus, rückt nicht nur die Mechanisms des (hier und da sogar dezent mit Vocoder betupften) Gesangs weiter nach vorne, sondern unterweist seinen MO auch den Gepflogenheiten eines konventionelleren Songwritings: Wo Caroline Teil 1 die Leinwand und Farben kennen gelernt hat, setzt Caroline 2 dessen Möglichkeiten schlüssiger, runder und zielführender ein.

Das organische, herausragende Total Euphoria klingt in seiner wunderbar organischen, vielschichtig direkten Produktion (die direkt aus den 90ern in den Indie der 00er Jahre überzugehen scheint) wie eine Symbiose aus Broken Social Scene, Ought und The World Is a Beautiful Place and I Am No Longer Afraid to Die, die gegen den Strich gebürstet catchy und monolithisch schrammelt, von der Gemeinschaft cinematographisch emporgehoben. Song Two gibt sich dagegen ruhig und melancholisch, schleicht mit dystopischer Kante zu einem Bläser-Delirium und mit der perfekt in den Kontext passenden Caroline Polachek gelingt Caroline mit Tell Me I Never Knew That ein wundervoll balladeskes Schwelgen, das auf seinem rhythmisch erdigen Grundgerüst davonschwebt. Was für ein Highlight!

When I Get Home pumpt abgedämpft in stiller Entfernung hinter den abstrakten Minimalismus einer entschleunigt mäandernden Nachdenklichkeit, die elegische Synergie bindet. Auch U R Ur Only Aching erschließt sich so als ineinandergreifendes Skizzen-Mosaik aus diametralem Passagen, die moduliert erblüht und friedlich ausplätschert, wo die Acoustic-Nummer Coldplay Cover eine verhaltene Aufbruchstimmung zeigt.
Der aus dem Leim gehende Folk von Two Riders Down spannt seine Art Rock-Muskeln an und das orchestral geborene Beautiful Ending schließt den Kreis als entrückter Fiebertraum in weicher, warmer Zeitlupe. „Not everything needs to even out“ heißt es da ganz am Ende, womit man der eigenen Evolution augenzwinkernd die Nase zeigt.

Denn mit einer ausgewogeneren Balance wird jedes von der Band bereits bisher anvisierte Element – von der bittersüßen Melancholie bis, ja, paradoxerweise sogar tatsächlich hin zur experimentellen Progressivität – nunmehr effektiver und weniger bemüht erreicht. Von der bockstarken ersten Hälfte (die zwangsläufig Schatten wirft) bis zum etwas abfallenden Finale lässt eigentlich nur die inhaltliche Ebene der emotional nicht wirklich packenden Texte noch merklich Luft nach oben – ansonsten wird die allgemeine Begeisterung über die Gruppe dank Caroline 2 endlich nachvollziehbar.

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