Caroline – Caroline

von am 8. Mai 2022 in Album

Caroline – Caroline

Die Newcomer Caroline aus Greater London spielen auf ihrem selbstbetitelten Debüt eine vage Ahnung von kammermusikalischem Postrock und Avantgarde Folk, der absolut kein Interesse an Strukturen oder klassischem Songwriting zeigen will – oder kann?

Gar nicht so weit von Nachbarn wie Black Country, New Road verankert wirkt alles auf Caroline nämlich wie aus einem losen, zwanglosen und auch seine Substanzlosigkeit mit betonter Kunstattitüde  kaschieren wollenem Jam geboren, dessen stilles Melodrama sich meistens gar nicht erst die Mühe macht, sich in kompositionell schlüssige Formen zu begeben: Selbst die konventionellsten Nummern wirken wie zufällig im Proberaum ausprobierte Sessions: Dark Blue erwacht mit tauender Aufbruchstimmung geduldig laufend, die Gitarren wogen, die Fideln schwelgen, und der irgendwann einsetzende Gesang kommt zaghaft, leise und mantraartig, während der stete Aufbau des repetitive Grundmotivs versandet.

Good Morning (red) ist beinahe Slowcore mit Country Flair, dessen kontemplative Melancholie mit anfeuernden Rufen aus dem Hintergrund konterkariert wird. Irgendwo zwischen Grails, Arcade Fire, British Sea Power und Balmorhea wirkt das Mosaik aber auch unfertig zusammengebastelt, gerade wenn die Rhythmuskaktion hinten raus Konstanze bleibt, die Gitarre in das Geschehen stolpert und alles eher willkürlich als instinktiv aneinander vorbei läuft. IWR fängt frei ein friedliches Geplänkel ein, das im Gemeinschaftsgefühl an die frühen Bowerbirds erinnert, auch ein wenig an Los Campesinos, wenn diese im bescheiden gehauchten Duett von den Dirty Three in den Schlaf gesungen worden wären. Skydiving onto the library roof zirkelt seine minimalen Ideen so sporadisch und zurückhaltend wie möglich, entlohnt jedoch endlich einmal auch mit etwas ähnlichem wie einem Klimax, bevor Natural Death sich exemplarisch als Clusterfuck um seine Melodie schlängelt.

Es bleibt eben selbst in den ausgeklügeltsten Momenten der Eindruck, dass alle Beteiligten des Kollektives höchstens vage an einem konkreten, gemeinsamen Ziel arbeiten, vieles scheint wahllos eingeworfen und sorgsam dosiert. Dass hier mit Casper Hughes (electric guitar, vocals), Jasper Llewellyn (acoustic guitar, cello, drums, vocals), Mike O’Malley (electric guitar, vocals), Hugh Aynsley (drums, percussion), Oliver Hamilton (violin), Alex McKenzie (clarinet), Magdalena McLean (violin) und Freddy Wordsworth (bass, trumpet) tatsächlich neun Leute am Werk sind, würde man aufgrund des phasenweise regelrecht minimalistischen Auftretens jedenfalls gar nicht vermuten.

Doch das pastorale Desperately oder die ebenso skizzenhaften Hurtle und das atonale Zilch, die mäandernd gezupfte Einfachheit Messen#7 oder die lose Verbindung von Engine (eavesdropping) sind eben einfach keine Songs per se, sondern atmosphärisches Geplänkel und fragmentarische zerschossene Ideen, die alleine der Stimmung zuträglich sind – und in dieser Hinsicht auch halbwegs funktionieren, wiewohl all die (manchmal ineinandergreifenden) Zahnräder keine unbedingte Motorik auf den Boden übersetzen: Gerade im zweiten Teil der Platte verabschieden sich Caroline mit ihren experimentell improvisierten Collagen in leere Meter, die ätherisch höchstens bedingt, und emotional kaum packen. Wo der Charakter dieser Band an sich durchaus interessant ist, sind es ihre Nicht-Songs hinter der unorthodoxen Fassade nur selten.
Was aber auch stimmt: All diese Dinge, die den Briten insofern an dieser Stelle negativ ausgelegt werden, können durch die polarisierende Ambivalenz des (niemals schlechten, aber eben mit latenter Egalität frustrierendem) Caroline’schen Wesens sicher ebenso nachvollziehbar als Pluspunkte angerechnet werden.

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