Joanne Robertson – Blurrr

von am 4. November 2025 in Album

Joanne Robertson – Blurrr

Blurrr was written in between painting sessions and also whilst raising a child“ verrät Joanne Robertson. Das sechste Studioalbum der Britin ist deswegen aber kein Werk geworden, das sich zwischen Tür und Angel erschließt.

Lässt man sich nicht vollständig auf die 43 Minuten der Meditation ein, kann man nämlich auch allzu leicht dem Irrtum erliegen, dass Robertson sich mit ihren in viel ambienten Reverb gelegten, folkigen Singer-Songwriter-Bedroom-Miniaturen alleine damit begnügt, Grouper zu imitieren – immerhin ist gleich das eröffnende Ghost ätherisch und bittersüß gehauchte die pure Sehnsucht an ein derartiges Methadonprogramm.
Und sicher trifft diese (sowieso adelnde) Einschätzung auch zu – sie birgt auch Schattenseiten, wenn sich etwa Friendly als mäandernde Geduldsprobe über sieben Minute damit begnügt, sich auf die Ästhetik zu verlassen. Allerdings greift sie im Detail dann doch auch zu kurz, lässt Blurrr (von anderen, ähnlich schmeichelhaften Assoziationen geprägt) doch auch weitere Facetten in seinem eklektischen Wesen zu.

In Why Me agiert Robertson durch die klare Kontur der tragenden Gitarre eher wie eine transdental entrückte Emma Ruth Rundle. Auch Peaceful wird durch Americana-artige Schraffuren konkreter und griffiger, derweil die schrammenden Saiten in Exit Vendor jenseits von Beth Orton oder Elizabeth Frazer so viele akribische Akzente in den minimalistischen Details setzen, dass die rein instrumentale Ebene keine atmosphärische Tapete mehr ist, sondern markanter Deuteragonist des heimeligen Narratives.
Am deutlichsten gewinnt das Songwriting von Robertson aber auch auf diesen Solopfaden, wenn sich die auf Kollaborationen mit Dean Blunt spezialisierte Britin abermals explizit einen kreativen Reibungspunk an Bord holt.

Die drei Gastspiele von Score-Meister Oliver Coates bereichern Blurrr enorm. In Always Were platziert er erhebende Streicher niemals ganz greifbar an der Peripherie der Wahrnehmung, injiziert damit aber so viel Hoffnung und zusätzliche Tiefe, auch nuancierte Bandbreite: Robertson tritt zwar eine Schritt weiter zurück, ihre Gesangslinien werden aber lebendiger und gehen deutlicher aus sich heraus.
Die Arrangements in Gown scheinen wie ein über dem Geschehen treibendes astrales Meer, deren Gravitation erhebend und majestätisch in Versuchung führt – nur damit das Stück regelrecht ausschnitthaft wirkend zu früh endet. Dafür erzeugt Doubt jedoch eine vage tröstende Aufbruchstimmung, verortet seinen versöhnlichen Optimismus gar beinahe zum Pop hin. Last Hay findet so auch Kraft im Abschied: „As I ride away/ I give you what you want for/ Just in case you get your own/ Now we are leaving/ …/ Please let it go, so I don’t have to know“, nur um dann als eine in sich selbst gehende Reise abzuschließen, die nicht zwischen Tür und Angel enden kann: „And watch where the middles/ Leave the light on in the sleep/ Lay out where you lay.“

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