Kali Malone – Living Torch

von am 3. September 2022 in Album

Kali Malone – Living Torch

Electroakutischer Drone im minimalistischen Dark Ambient mit mikrotonal-klassizistischen Nuancen: Kali Malone hat mit Living Torch ihr bisher wirkungsintensivstes und auch kraftvollstes Album aufgenommen.

Ungeachtet der holprig-verkopften stilistischen Verortungsversuches ist der erzeugte Klangteppich der in Stockholm residierenden Amerikanerin eine rein instinktive Erfahrung geworden. Gerade Living Torch I legt seine Wirkung subversiv und hintergründig an. Ahnungen von reduziertest zurückgenommenen Melodien geistern von einem Ohr aufs andere, schwimmen im hypnotischen Grundton eines Nebels, der so mysteriös und ruhig wie surreal eine vertraute Fremde erzeugt. Dort wandert die Belegschaft – Trombone: Mats Äleklint; Bass Clarinet: Isak Hedtjärn; ARP 2500, Modular Synthesis, Pura Data & Boîte à Bourdons: Kali Malone – körperlos durch die konturlos bleibenden Nebel einer erahnbar anmutigen Welt wandert. Nach zwölf (seiner insgesamt knapp 19) Minuten zieht Living Torch I seinen Spannungsbogen etwas beklemmender an, paart Neugier mit einem latenten Unwohlsein, dezent und subversiv, schimmert vage im Suspense, und zeigt selbst bei dieser relativen Aufbruchstimmung mehr introspektive Interferenzen, als extern ausgerichtete Ambitionen. Folgerichtig lässt Living Torch in dieser Phase seiner Existenz auch jeden hintergründigen Druck ätherisch verblassen.

Als Komplememtärstück dazu agiert das überragende Living Torch II. Die Bläser stehen sofort dichter, erzeugen unmittelbar eine beklemmendere Stimmung, sind physischer und dräuen mit grieseliger Noise-Rauheit: plötzlich ist da eine latente Klaustrophobie in der intimen Komfortzone.
Nach und nach dröhnt die Nummer gar mit retrofuturistischer Schärfe, quasi als naturalistischer Blick auf ein Blade Runner-Panorama. Zwar mag diese Phase des Gesamtwerkes typisierter an entsprechend anachronistischen Score-Konventionen angelegt sein. Doch funktioniert Part II nicht nur fesselnd und intensiv, sondern geht gerade im Kontext mit Teil 1 – als dessen expliziter, extrovertierter Gegenpol in Ebbe und Flut – erfüllend auf. Zudem schließt Living Torch II den ebenso kohärenten wie stimmigen Bogen der Platte ohnedies noch als malerische Melancholie in traurig-tröstendere Nostalgie ab – vielleicht (nach 15 Minuten) sogar zu abrupt. Dem reizvollen, sanft und kraftvoll-konsequent anziehenden Zauber dieses Kleinod-Albums tut dies aber keinen Abbruch. Denn bestimmter und direkter ist Malone bis zu diesem Punkt bisher wohl noch nicht aufgetreten. Und dieses neue Gewicht, diese zwingende Gravitation, steht ihren entrückten Welten erstaunlich gut.

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