Mclusky – The World Is Still Here and So Are We

The World Is Still Here and So Are We stellt die Gretchenfrage: Wie Viel ist ein sehr gutes Future of the Christian Fitness-Album wert, wenn es unter dem Banner von Mclusky laufen muss? Mit einem halben Jahr Abstand lautet die überraschend befriedigende Antwort: relativ/ ziemlich viel!
Dass Andrew Falkous The World Is Still Here and So Are We die unstemmbare Bürde auferlegt hat, sich mit einer bisher praktisch perfekten Diskografie messen zu müssen, ist angesichts der dabei entstehenden Erwartungshaltung natürlich purer Irrsinn – ein Überqueren des Noiserock-Rubikons sozusagen.
Es ist auch irreführend. Weil sich die dafür aufgefahrenen 33 Minuten, denen man so einfach nicht vorbehaltlos begegnen kann, praktisch nie wie die Fortsetzung von My Pain and Sadness Is More Sad and Painful Than Yours, dem Meisterwerk mclusky Do Dallas oder dem gerne unter Wert verkauften, schwierigen Mittelfinger The Difference Between Me and You Is That I’m Not on Fire anfühlen, sondern sich (vom Sound bis zum Songwriting) nahtlos in den Kanon von Christian Fitness und Future of the Left einfügen.
Und es ist nachvollziehbar. Alleine schon in monetärer Hinsicht freilich. Weil der Name Mclusky einfach immer noch stärker als Falkos andere Plattformen zieht. Aber auch, weil sich die 13 Songs der Platte dieses Mehr an der so generierten Aufmerksamkeit durchaus verdient haben.
Denn letztlich – gerade mit ein bisschen relativierender Distanz zum zwangsläufig ernüchternden Erstkontakt, weil The World Is Still Here and So Are We einfach ganz exakt das Album geworden ist, das man sich anhand der Vorabsongs hinter dem 2023er-Teaser ausrechnen konnte – ist es vor allem schlüssig, dass Falko seiner Gateway Band ein weiteres Album abseits des Legendenstatus (auf den er selbst ja sowieso nichts zu geben scheint) spendiert: Mit Jack Egglestone und dem – durch die Reunion von Jarcrew – auch schon zehn Jahre an Bord befindlichen The St Pierre Snake Invasion-Mann Damien Sayell schreibt er (im Gegensatz zu vor allem Christian Fitness) Songs, bei denen sein Zynismus nicht vor der Schmissigkeit steht, also Melodien nicht mehr nur nur die leidigen Aufhänger für giftige Slogans darstellen, die dann erschöpfend in leidlich zwingende Hook wiederholt werden. Sicher passiert dies weiterhin – aber besser dosiert. Und mit mehr Power Chords samt arschtretendere Nachhaltigkeit gespielt.
Neben dem bereits bekannten Opener Unpopular Parts of a Pig und seinem delirant schunkelnden Kompagnon The Digger You Deep gibt ein Cops and Coppers also den stompenden Tänzer und Way of the Exploding Dickhead poltert mit getauschten Instrumenten schwerfälliger, reibt sich am Call-and-Response aufbäumend. Der grummelnde Bass samt stoisch polternder Drums ist in The Battle of Los Angelsea die Bühne für Sayell und People Person lamentiert in Schieflage skandierend eine Art schnoddrige Hymnik. Das vergleichsweise poppige The Competent Horse Thief flaniert abwartend als netter Singalong zum Gang-Party-Flair, derweil Kafka-Esque Novelist Franz Kafka punkig rumpelt nach vorne eilt: die Dynamik der Platte ist in ihrem Rahmen abwechslungsreich und kurzweilig, der rohe Sound ist kraftvoll und gerade in den Drums massiv. Die Produktion von Anthony Chapman passt zu tendentiell eher Richtung Post Hardcore-Stoizismus schielenden Kompositionen, die manische Explosivität gegen eine fast selbstgefällige Sicherheit getauscht haben. Klar vermisst man die Schnittigkeit, die Steve Albini der Band beigebracht hat, wie auch die wirklich ikonischen, genialen Momente…. während man zum schabenden Groove von Chekhov’s Guns energisch „Ch-ch-ch-ch-Chekhov’s guns!“ mitskandiert.
The World Is Still Here and So Are We hat einige Probleme – wie etwa, dass wir es im Grunde mit einer zerfahrenen Songsammlung, als mit einem rund sequenzierten Album-Album zu tun haben. Doch weil es eben das größte Manko bleibt, dass sich das Comeback weniger wie das viertbeste Mclusky-Album anfühlt, als vielmehr wie eine sehr gute Schnittmenge aus den beiden nachfolgenden (One Man) Bandprojekten, will sich darauf abseits der subjektiven Erwartungshaltung kein Strick drehen lassen. Etwaige Schönheitsfehler ändern einfach wenig daran, dass sich hier ziemliche Szene-Hits die Klinke in die Hand geben, unmittelbar zünden und weiters kaum abnutzen.
Wo Autofocus on the Prime Directive im einen Moment shakend twistet, schleicht Not All Steeplejacks auf Samtpfoten so meditativ und leise eindringlich vor den knackiger fetzenden 66 Sekunden von Juan Party-System. Das finale Hate the Polis gibt sich wieder versöhnlicher, gefälliger und weniger harsch, fast schon überschwänglich – doch wie bei fast jeder Nummer des Albums reicht das Lesen des Titels, um sofort wieder einen Instant-Ohrwurm sitzen zu haben.
Damit ist The World Is Still Here and So Are We nicht das Comeback, von dem man 21 Jahre lang träumen konnte, ohne es wirklich wollen zu müssen – aber eben auch ein (dem Genre einiger seiner aktuell stärksten Momente spendierendes) Auffrischen des Songpools für anstehende Touren, das man so nicht mehr missen möchte. Dass das alles unter einem anderen Banner eine unvoreingenommenere Euphorie ausgelöst hätte, stimmt insofern sicher. Der irritierende Ärger darüber ist aber mit etwas Abstand verpufft, die Mclusky-Maxime greift wieder: „The world loves us and is our bitch„.
Kommentieren