Nine Inch Nails – TRON: Ares

Warum Atticus Ross und Trent Reznor den Original Motion Picture Soundtrack für Tron: Ares im Gegensatz zu ihren bisherigen gemeinsamen Score-Arbeiten unter dem Banner der Nine Inch Nails laufen lassen, bleibt nach 67 Minuten ein (wenig schmeichelhaftes) Mysterium.
Der im Fahrwasser der Tour mit Boys Noize (der hier neben BJ Burton, Hudson Mohawke und Ian Kirkpatrick übrigens auch Credits als Produzent bekommen hat) ausgeschickte, mit nervigen „Yeah, yeah, yeah“s auf Formatradio-Elektrorock-
Genau genommen fühlen sich nur vier Nummern von Tron: Ares – ausgerechnet jene mit Gesang – wie klassischer angelegte NIN-Nummern abseits der Ghost-Reihe, aber einer großen Bereitschaft zur Referenzliste an.
I Know You Can Feel plätschert im Trip Hop als Downbeat-Tribut an Massive Attack, in dessen eindringlicher werdende Atmosphäre sich ein paar dunkle Industrial Drone-Wolken schleichen dürfen, derweil sich Who Wants to Live Forever? (wie später auch sein Appendix No Going Back) direkt von Kid A ableitet, um mit Judeline ein Balladen-Duett so ruhig und betont sorgsam aus der stimmlichen Komfortzone von Reznor bis hin zu sanften We‘re on This Together-Anleihen herauszuheben. Shadow Over Me schließt wiederum den Kreis zu As Alive as You Need Me to Be, indem es wie ein an Daft Punk gemahnender Remix der Single anmutet – was kritischere Geister sicher auch als Sinnbild für die leeren Meter interpretieren können, die der Soundtrack macht, während andere dadurch die Kanon-Tauglichkeit unterstrichen werden sehen.
Ungeachtet dessen bewegen sich Trent Reznor und Atticus Ross für die Science Fiction Welt aus dem Hause Disney tatsächlich weitestgehend in den selben Gefilden, die sie sonst unter ihren eigenen Namen bedienen – vielleicht als Hybrid mit einer Prise Locusts und Quake in der Essenz neben der Ästhetik von Add Violence und dem Original Score von Wendy Carlos als Leitstern.
Was allerdings, gerade nach Turtles und Challengers als qualitative Benchmark (ganz zu schweigen natürlich von der durch Bad Witch ohnedies kategorisch verwässerten regulären Alben-Diskografie der Nine Inch Nails selbst) enttäuscht.
Nicht nur ob der Erwartungshaltung, sondern auch, weil Tron: Ares als Halo 36* nur routiniert auf gutem Niveau abliefert.
Init pulsiert und pocht, typisch, elektronisch, derweil This Changes Everything in den Club pumpt und Target Identified seine Schaltkreise mit „something to believe in“ in die 80er zurücklehnt. Daemonize ist ein sinister unterkühlt eilender Nachhall davon, zwischen treibend angezogener Spannung und angehaltenem Atem. What Have You Done? kippt in den Albtraum-Suspense und befreit sich daraus mit einem strengen Beat, A Question of Trust schielt zurück zur Freiheit der vier Schildkröten-Mutanten.
New Directive schnipselt und blüht, sich einmal mehr auf den Herold der Platte berufend, auf und läuft damit entgegen der kristallin flimmernden Klavier-Skizze Out in the World nicht Gefahr, zum Füllmaterial abzudriften. Das ruhige Echoes und Still Remains haben sich im Verlauf schon weitaus früher einfach bereits schöner und verträumter an die Tasten gesetzt.
Dazwischen drosseln Nine Inch Nails das Tempo und wandern elegischer durch den Cyberspace. Die Zeitlupe des dystopischen Forked Reality suhlt sich in futuristischer Schwere und In the Image Of ist ein herrschaftlich getragener Anachronismus. 100% Expendable oder Building Better Worlds erinnern in ihrem bekümmerten Delirium an den Batman der Gameboy-Ära, derweil Empathetic Response seine heroische Ader verpuffen lässt und austauschbar wird. Und auch der martialisch schleichende Marsch von Nemesis bekommt hinter der nachdenkliche Modulation Ghost in the Machine als Variation von Bekanntem ohne dazugehörige Bilder eine latente Redundanz.
Wo die beiden Soundtrack-Macher Reznor und Ross ihrer Marke Nine Inch Nails mittels synthetische Imitationen eines sinfonischen Algorithmus wie in Infiltrator interessante Aspekte beibringen hätten können, entscheidet sich Tron: Ares aber eben – im Gegensatz zu den besten Score-Arbeiten des Duos, ganz zu Schweigen von praktisch allen bisherigen Halo-Veröffentlichungen – lieber dazu, die kreative Bürde einem anderen Medium zu überlassen und die Musik primär auf die Funktionsebene zu beschränken.
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