Primitive Man – Observance
Ethan Lee Carthy spricht über das (je nach Zählweise) vierte Studioalbum seiner Band als „the most positive record to date“ und sagt: “I wish for a better version of myself, for myself and a better world for us all“. Doch was bedeutet dies tatsächlich für Observance?
Sicherlich hat es auch Spuren hinterlassen dass Ethan Lee McCarthy in den fünf Jahren, die sind seit Immersion (2020) vergangen sind, nicht nur mit Primitive Man selbst die (hiermit praktisch direkt in einem größeren Kontext fortgesetzte) EP Insurmountable (2022) sowie eine Kooperation mit Full of Hell (Suffocation Hallucination) ausgespien, sondern neben ausgewiesenen Solo-Arbeiten auch als unter seinem Alias Many Blessings oder mit Vermin Womb veröffentlicht.
Eklatanter als all diese kathartischen Aderlässe scheint jedoch, dass die Zustände der Welt selbst den ausgewiesenen Pessimisten McCarthy einge- und überholt haben, so dass die Antwort auf all den stockdunklen Defätismus des Alltags selbst in der nihilistischsten Musik wohl nur ein apokalyptischer Positivismus sein kann.
Gemeinsam mit Drummer Joe Linden und Bassist Jonathan Campos lässt er deswegen im monströsen Trademark-Sound von Primitive Man deutlicher denn je Kontraste zu abseits des Schwarz/Schwarz-Spektrums zu. Observance nutzt den Raum jenseits der puren Heaviness ausführlicher als seine Vorgänger, interagiert mit mehr Texturen, kennt Ruhe, und erforscht den Ereignishorizont hinter der Wut. Freilich relativ: Primitive Man sind immer noch eine unpackbar böse Band, die instinktiv arbeitet, dies aber mit Blick auf das große Ganze nunmehr aber überlegter und konstruierter tut, mehr Kontrolle über die Variablen zeigen.
Der Sound, die Produktion und das Mixing, sind dazu exzellent, vielschichtig und dynamisch. Was in Summe alles dazu führt, dass Observance weniger schlaucht als seine Vorgänger, selbst bei 68 Minuten Spielzeit halbwegs kurzweilig wirkt und zudem stets den Fokus aufrecht hält.
Seer steigt fast knackig, kompakt und zügig – ja, regelrecht punkig! – nach vorne gehend in den röchelnden Strom ein, Devotion gebiert aus einer abstrakten Noise-Klanginstallation grungige Motive, um den atmosphärischen Doom hämmernd und pochend zu schleppen, die Riffs wie ein zähes Sekret aus dem Feedback abringend. Sakraler Anmut erstrahlt verglühend, letztlich wird der Song wie das Martyrium eines sterbenden, riesigen Öltankers in einer rostigen Werft um Atem ringenden. Transactional
Natural Law verfällt bolzend der epochal sägenden Black Metal-Raserei und evoziert eine heroische Melodramatik, derweil Social Contract sich über der Dissonanz einklatscht: Wenn es jemals gelten sollte, dass Primitive Man animierende Stimmung auf ihren Shows machen wollen, ist dies die entsprechende Nummer dafür – ohne die Essenz der Band auch nur einen Millimeter weniger konsequent zu verrücken. Obgleich das Stück über den Morast walzend dann zu einem Rocker mutieren wird, der so nahe am Schulterschluss mit Conan agiert.
„Grown old enough to forgive“ brüllt McCarthy voller aggressiver Verzweiflung zum Einstieg in den Abschied und Water wogt sich in hypnotischer Trance, tritt augenscheinlich weniger erschöpfend auf, um die Nuance und Balance ein letztes Mal zu forcieren. Die Auftrittsfläche ist gewachsen, der Abgrund ist existentiell. Deswegen lässt die Band auch keinen Zweifel daran aufkommen, welche Art von Trost und Hoffnung sie zu spenden gewillt ist, wie weh der Silberstreifen am Horizont tun muß, und dass es bei aller kasteienden Selbsttherapie Positivismuskein Zuckerschlecken ist: „As a child I asked you, „Is this filth home?“/ Your home was a piss prison/ And a haven for the trash of the world/ The hate in my heart is not the all of me/ It was forced upon my heart forever/ The most bitter end to a story/ Pitch fucking black, that runs into these veins/ Take the hell hurt out of my heart/ Burn the hell hurt out of my mind/ Devil man, „Father“, please do not let me find you in the wild/ One of us will die“.


Kommentieren