2022: 20 EPs

von am 29. Dezember 2022 in Featured, Jahrescharts 2022

2022: 20 EPs

Die dogmatisch einzuhaltenden Grenzen zwischen EPs und Alben mögen zwar eigentlich längst verschwunden sein – in den Jahresrückblicken auf Heavy Pop wird den Kurzformaten aber weiterhin explizit gehuldigt.

Und das sogar mit gar strengen Regeln: Keine noch so guten Split-Releases haben es aus Prinzip in diese Liste geschafft (Tchornobog & Abyssmal, End & Cult Leader oder Caloris Impact mögen es bitte verzeihen!) und auch von Streamingportalen gesammelte Verbände einzelner Singles wurden ignoriert. Ganz zu schweigen von derartigen Obszönitäten wie gang und gäbe gewordenen Promotions-Mogelpackungen a la Diet Coke (etc.) oder natürlich die in EP-Teilstücken vorab veröffentlichten Passagen letztendlich kompletter Alben – die Herolde von Bronco oder Once Twice Melody dürfen sich angesprochen fühlen.

Dass Guitar Songs wie Cypress Hills and the Big Country ungeachtet der offiziellen Kategorisierung jedoch aufgrund des Daseins als (gefühlte) Doppel A-Seiten-Single ebenfalls nicht berücksichtigt wurden…insofern herrscht wohl auch hier komplette Willkür als Zeichen der Zeit.

Der Odnung halber jedoch ohne Willkür: Die drei meistgelesenen (und auch heuer verfassten – sorry Mr. Bellamy) Besprechungen etwaiger Kurzformate drehen sich 2022 das Treppchen nach oben steigend um Kanonenfieber (Stop the War), Rome (Defiance) sowie den Klick-König Sugar Horse (Pictures Of Dogs Having Sex)  – die geheimen Helden aber sind natürlich Weezer, die das saisonale Spiel mit der SZNZ-Reihe durchgespielt haben.

| HM | EPs | 50 – 41 | 40 – 31 | 30 – 21 | 20 – 11 | 10 – 01  | Playlisten |

Beyond the Grasps of Light - HellBeyond the Grasps of Light – Hell

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Die erste EP von Beyond the Grasps of Light, dem neuen Projekt von Brandon Scott Baun (Capa, Sorrowing) aus Philadelphia, trägt ihren Titel nicht von ungefähr: Hell ist ein albtraumhafter Avantgarde Black Metal-Hassbatzen mit grandios unmenschlicher Stimme, beunruhigender Disso-Kante und der grotesken Ahnung einer durch und durch hässlichen Schönheit, die Death- oder Math-Facetten ebenso nahtlos mitnimmt wie abartige Synth- oder Doom-Wucherungen.

Black Math Horseman - Black Math HorsemanBlack Math Horseman – Black Math Horseman

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Damit musste man nicht rechnen: Dreizehn Jahre nach ihrem bis dato einzigen Studioalbum Wyllt hat sich die 2013 getrennte Band um die Mother Tongue-Hälfte Bryan Tulao und Sasha Popovic wieder zusammengetan, um noch einmal ihren formoffenen Hybrden aus Post-Metal, Ethereal Wave und Psychedelic Rock zu beschwören. Was vor allem kein einmaliges Wiedersehen gewesen sein soll: offenbar darf man durchaus damit rechnen, dass Black Math Horseman sich nun auf eine langfristige gemeinsame Zukunft einrichten.

Blood Incantation – Timewave ZeroBlood Incantation – Timewave Zero

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Anstatt ihre Reise im extraterrestrischen Prog Death fortzusetzen, schieben die Szene-Lieblinge Blood Incantation kurzerhand – also über knapp 40 Minuten… und damit länger, als ihre bisherigen beiden Studioalben jeweils dauern! – einen polarisierenden Nebenhandlungs-Twist in den kosmischen Space Ambient der Berliner Schule ein und wandern staunend durch analoge Synth- und Elektronik-Welten auf den Spuren von Tangerine Dream, John Carpenter, Popol Vuh oder Dead Can Dance. Ein Puristenschock, der erstaunlich stimmig überzeugt.

Continuum Of Xul - Falling Into DamnationContinuum of Xul – Falling Into Damnation

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Matteo Gresele (Ad Nauseam) und Tya (Hellish God) machen Continuum of Xul bereit für das erste Studioalbum des italienischen Death Metal-Kraftpackets: „We’re working on that, we already have some songs in the works that are really, really powerful.versprechen die beiden Morbid Angel-Fans wohl nicht zu vollmundig: gemessen an der überragenden Güteklasse von Falling Into Damnation könnte uns demnächst ein weiteres Genre-Highlight aus dem Hause Lavadome Productions (die ja übrigens dieses Jahr alleine mit Darkness of God noch so ein Szene-Schmankerl in petto hatten) ins Haus stehen.

††† (Crosses) - Permanent.Radiant††† (Crosses) – Permanent.Radiant

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Nach den beiden Coversongs The Beginning of the End und Goodbye Horses sowie dem Single-Grower-Doppel Initation und Protection (bzw. vor der Weihnachts-Single One More Try) ist es mit der (erst unterwältigend erscheinenden, aber letzlich wie alle bisherigen Veröffentlichungen der Plattform hinterrücks faszinierend in ihren Bann ziehenden) Permanent.Radiant-EP nun endgültig amtlich, dass ††† (Crosses) kein einmaliges Abenteuer für Shaun Lopez (Far) und Chino Moreno (Deftones) darstellt. Weswegen man schon träumen darf: Wie wäre es auch mit Forsetzungen der Spielwiesen Team Sleep, Palms und Saudade, Mr. Moreno?

Foreign Hands - Bleed the DreamForeign Hands – Bleed the Dream

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Foreign Hands gelingt der Reboot: Ihr Debütalbum No Funeral for the Spirit aus dem Jahr 2016 hat die Band aus Wilmington (soweit das mit dem niemals vergessenden Internet im Rücken halt möglich ist) ausradiert, wodurch Bleed the Dream nun unbeschwert dem Anachronismus fröhnen kann.
Der Metalcore der späten 90er und frühen 00er Jahre scheint jedenfalls die Zukunft für Jungspunde, die Poison the Well bereits jetzt ebenso zu lieben scheinen wie Thursday, und mittels der Bleed the Dream nacheilenden Singles zudem Misery Signals als Referenzwert für einen neuen ersten Studiolangspieler ausgegeben haben.

Frowning – Of Void

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Auf die letzten Meter des Jahres hat Of Void in einem (ohne jetzt alleine die wie immer liefernden Shape of Despair unter Wert verkaufen zu wollen!) zugegebenermaßen nicht allzu aufregenden (Funeral)Doom-Jahrgang noch den ersten Teil des laufenden Mournful Congregation-Projekts The Exuviae of Gods in der Gunst der besten Genre-EP 22 überholt.
Was jedoch vor allem etwas über die Klasse dieses späten Highlights aussagt – und nicht über den Zustand des Doom in den vergangenen 12 Monaten: in der makellosen Diskografie von Frowning stellen diese 37 Minuten ebenso eine triumphale Wurzelsuche wie womöglich gar die bisherige Krönung dar.

Gospel - MVDMGospel – MVDM

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Ohne jede Frage war das 16 Jahre nach dem brillanten Erstling The Moon is a Dead World erscheinende Comebackalbum The Loser eine (gerade auch in stilistischer Hinsicht) ebenso überraschende wie triumphale Rückkehr für Gospel.
Noch offenkundiger ist allerdings, dass der ( seit tatsächlich eineinhalb Dekaden ausgetragene) Trabant MVDM das vermeintliche Hauptwerk sogar noch einmal deutlich übertrifft und ein Paradebeispiel dafür ist, wenn in den EP-Fußnoten einer Diskografie eine karrieretechnische Sternstunde passiert.

Gyfth - Aus Allen WolkenGyfth – Aus Allen Wolken

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Gyfth ballern mit imposantem Szene-Lineup als Personalie eine Debüt-EP vor den Latz, die die abgeklärte Souveränität langjähriger Erfahrung mit einem schier unbändigen Hunger auf (post)metallischen (Post)Hardcore anzündet. Ein bisschen so, als wären die seligen Alpinist im massiven Korpus einer Inkasso Moskau-Abrissbirne wiedergeboren worden…oder so.
Fakt ist jedenfalls: Man kann bei diesen vor Leidenschaft förmlich berstenden knapp 20 Minuten sicherlich viele ansatzweise assoziative Orientierungspunkte ausmachen – und sie alle adeln Gyfth quasi aus dem Stand heraus! – letztendlich klingt das Quartett aber schon in dieser Vorstellungsrunde vor allem so, als hätte es sich selbst längst gefunden.

Intranced - IntrancedIntranced – Intranced

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Sänger James-Paul Luna, Fili Bibiano (Guitars, Bass, Synths) und Drummer Ben Richardson haben jeder für sich schon vor ihrem Zusammentreffen als Intranced mehr als veritable Metal. Lebensläufe vorzuweisen.
Gefühlt blühen die drei hier über vier ungeniert catchy daherkommende Ohrwürmer-Snacks, die sich hochmelodisch im NWOBHM-Hardrock pudelwohl fühlen, jedoch auf besonders unterhaltsame Weise neu auf und zeigen mit unmoderner Frische einen fast naiven Charme (samt romantischer Würze in der Klammer), der einfach unkomplizierten Spaß macht.

Killing Pace - Killing PaceKilling Pace – Killing Pace

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Killing Pace klingen, als hätten Nails eine Hardcore-Bastard mit Power Trip gezeugt, diesen aber im Pit einer Grindcore-Show mit Insect Warfare aufgezogen  – und ihm dabei die Tugenden eines möglichst agressiv zulangenden Sounds beigebracht.
Soll heißen: Das junge Quintett aus Richmond rekrutiert sich aus dem Umfeld von Downfall (die dieses Jahr ja auch die Gewaltbereitschaft hatten ein Debüt auf Daze, das 2022 mit starken Platten noch und nöcher auftrumpfte, einzuprügeln) und klingt ein bisschen wie der feuchte Traum, der in naher Zukunft durch die Decke gehen dürfte.

Nick and Pete - Home Is Where the Heart IsNick and Pete – Home Is Where the Heart Is

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Man muß Home Is Where the Heart Is nicht mit der The Verve-Fanbrille betrachten, um ins Schwärmen zu kommen, wie grandios Nick McCabe und Pete Salisbury doch nach wie vor miteinander in psychedelischen Sommernachts-Tagträumen harmonieren – oder vielleicht sogar davon zu fantasieren, was mit den beiden Atmosphäre-Meistern als treibende Kräfte im Verbund mit Richard Ashcroft auch eineinhalb Dekaden nach dem großartigen Forth noch möglich sein könnte.
Dass The Eleventh Hour mittendrinnen einer der schönsten Songs des Jahres geworden ist, sollte man allerdings ruhig erwähnen!

Primitive Man - InsurmountablePrimitive Man – Insurmountable

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Sind Primitive Man 2022 die besseren Smashing Pumpkins gewesen? Und wieviel sind etwaige Format-Kategorien heutzutage überhaupt noch wert? Das Quiet-Cover von Ethan Lee McCarthy und Co. ist jedenfalls besser als alles, was Corgan selbst derzeit abliefert. Und Insurmountable knapp zweieinhalb Minuten länger als Immersion, im Gegensatz zum 2020er-Album aber von der Band selbst als EP eingestuft worden.
Egal: genießen wir lieber die abgrundtiefe Finsternis dieser puren, ekelhaften Doom-Misanthropie, die gefühlt am besten als kongeniales Companion Piece zu mvorangegangenen Primitive Man-Happen funktioniert.

Qrixkuor – ZoetropeQrixkuor – Zoetrope

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Die grausame Hymne einer wirklich sehr bösen Death Metal-Nation: Die neu formierten Briten Qrixkuor setzen mit der sinfonischen Majestät Zoetrope zur hässlichen Kür des Studioalbums Poison Palinopsia an. Und legen neben The Vomiting Choir über 25 Minuten das vielleicht beste Genre-Epos des Jahres hin.

Emma Ruth Rundle - Orpheus Looking BackEmma Ruth Rundle – Orpheus Looking Back

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Emma Ruth Rundle blickt zurück – auf den stilistischen Paradigmenwechsel Engine of Hell, mit dem sie sich eines der intimsten, aufwühlenden Alben des Jahres 2021 abgerungen hat.
Die drei jeweils unterschiedlich in den Minimalismus hinein ausgerichteten Songs von Orpheus Looking Back sind mehr als nur eine versöhnliche Erinnerung daran, derweil sich die Amerikanerin selbst mit EG2: Dowsing Voice nach vorne schauend bereits weiter hinaus in avantgardistische Experimente gewagt hat.

Seoi Nage - The Gentle WaySeoi Nage – The Gentle Way

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Anton Zimmermann, Jakob Hersch und Messerkämpfer Pogo McCartney verschmelzen auf ihrer Debüt-EP den Geist des Krautrock mit der imaginativen Bildhaftigkeit des kosmischen Ambient und der Berliner Schule, womit The Gentle Way sich anschickt in der Tradition großer Namen wie Can oder Neu! zu stehen.
Mit verboten funky auftretenden Bass treibt das hypnotisch bis zur smoothen Extase, betont sexy groovend die Dramatik der Körperlichkeit und taucht bis zur transzendentalen Trance ab. So verführerisch das jedoch bereits in konservierter Form funktionieren mag, bleibt unterschwellig doch die gar nicht so leise Vermutung: Live könnte das alles einer kleinen Offenbahrung gleichkommen.

Springtime - Night Raver EPSpringtime – Night Raver EP

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Ein grandioser neuer Song, ein überragendes Quasi-Cover aus dem hauseigenen Repertoire, sowie ein (leider bereits bekannter) Live-Mitschnitt – fertig ist eine EP, die es darauf anlegt, das fantastische selbstbetitelte Debütalbum der australischen Allstar-Kombo aus dem vergangenen Jahr noch einmal zu übertrupfen.
Mehr noch: Springtime bleiben auf dem besten Weg, zur neuen Referenzband für Gareth Liddiard (The Drones/ Tropical Fuck Storm), Jim White (Dirty Three/Xylouris White) und Chris Abrahams (The Necks) zu werden.

Sugar Horse - Waterloo TeethSugar Horse – Waterloo Teeth

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Schlechte Nachrichten für alle, die es gerne überschau- und berechenbar halten: Die wahnwitzige britische Post-Alles-Wollmilchsau names Sugar Horse hat sich eine Handvoll Kumpels (von unter anderem Vennart, Idles, The St. Pierre Snake Invasion, Conjurer und Pupil Slicer) eingeladen, um ihrem ohnedies stets so überschäumendem Kreativ-Ventil nur wenige Monate nach Pictures Of Dogs Having Sex eine noch größere Bandbreite zu geben.

Worm - BluenothingWorm – Bluenothing

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Das längst überbordende Gesamtwerk von Phil Tougas wächst weiter – und ist dank Bluenothing bereits um eine unwahrscheinlich erfolgreiche Nuance reicher.
Trotzdem befinden wir uns wohl vor allem in einer Übergangsphase von Worm: Während der unermüdliche Gitarrist in jüngerer Vergangenheit unter anderem über das starke Intermezzo At the Periphery of Human Reals auch endlich das Zweitwerk von VoidCeremony auf Schiene gebracht hat, bleibt Phantom Slaughter klar das Mastermind der Band, doch lassen die beiden abschließenden Nummern der ersten gemeinsamen EP bereits erahnen, wie die Zusammenarbeit mit Wroth Septentrion zukünftig den Himmel voller Geigen aushängen könnte.

Your Old Droog - YOD WaveYour Old Droog – YOD Wave

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Offiziell mögen alle sechs Veröffentlichungen von Your Old Droog in diesem Jahr als Alben deklariert worden sein – anfühlen tut sich allerdings keines davon als solches, weder quantitativ noch hinsich der Spannungsbögen.
Dass Tha Wolf on Wall St. 2: The American Dream, YOD Wave, Yod Stewart, Yodney Dangerfield und The Yodfather …und YOD Presents: The Shining noch vor dem von Bad Witch statuiertem Exempel oder der Kanye-Serie 2018 sich wohl ohne Bedenken zum EP-Gütesiegel bekannt hätten, erlaubt vielleicht einerseits den Kniff, das 22er-Schaffen von Dmitry Kutsenko in diese Kategorie zu verfrachten – ändert aber vor allem grundlegend nichts an der Klasse des Materials.

| HM | EPs | 50 – 41 | 40 – 31 | 30 – 21 | 20 – 11 | 10 – 01  | Playlisten |

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