Primitive Man – Insurmountable

von am 15. Mai 2022 in Album

Primitive Man – Insurmountable

Insurmountable, fürwahr. Denn nicht einmal Material der Smashing Pumpkins kann Primitive Man zu einer Kompromissbereitschaft in ihrem keinen Millimeter von der Ideallinie abweichenden, so unendlich heavy bestrafenden Doom bewegen.

Wo ein Blick auf die Trackliste von Insurmountable überraschen musste, tut es der Konsum des abschließen Covers Quiet nicht, kein bisschen: Primitive Man assimilieren das existentialistische Billy Corgan-Stück ansatzlos in ihren eigenen musikalischen Kosmos, interpretieren es als grotesk in Zeitlupe versetzten Lavastrom, der jeden Ansatz von Melodie in eine nihilistische Monotonie bügelt, selbst den kurzen explodierenden Exzess am Gaspedal auf sludgigen Kurs bringt, und die Dissonanz als eitriges Narbengeflecht zur Schau trägt.
Insofern gilt also zwar schon, dass es einerseits richtig ist, wenn man Insurmountable vorwerfen will, dass es den längst bekannten Primitive Man-MO genau genommen nur ein weiteres Mal dekliniert; keine neuen Ingredienzien an den Kriegstisch bringt; und dem geeichten Fan aufgrund seiner immanenten Vertrautheit auch wenig bietet, das erarbeitet oder mittelfristig entdeckt werden will. Im Umkehrschluss ist es andererseits aber ebenso korrekt, dass das vierte Studioalbum derart verortet inhaltlich gewissermaßen die optimierte Version seines Vorgängers Immersion von 2020 darstellt – sowohl was das Songwriting im Speziellen, wie mehr noch den den übergeordneten Spannungsbogen im Allgemeinen – den Albumfluß, das Sequencing, den Sound – angeht.

This Life ist eine Trademark-Lehrstunde in Sachen How to Primitive Man, die Artikulation von zähflüssig gefoltertem Pein und Schmerz. Ethan Lee McCarthy würgt seine Riffs und Vocals als gutturales Gebrüll aus dem ekligsten Kreis der Hölle. Joe Linden und Jonathan Kampos schieben das Slo-Mo-Tempo mit kasteiend gesetztem Rhythmus unter eine von der Magengrube bis zur hintersten Hirnrinde schmerzhaft spürbaren Gitarrenwand im tiefsten Frequenzbereich. Die seit jeher verinnerlichte Kunst von Primitive Man ist es, wie meditativ dieser bodenlose Hass walzt, der explizite Kniff von This Life jedoch zeigt sich, wenn das Trio gegen Ende eine fast beschwörende Geste in ein schwarze Loch kriechen lässt, das anderswo der hymnische Himmel wäre.
Dort beginnt der vermeintliche Fade Out zudem nur als Finte, vielmehr geht das Geschehen nahtlos in so sinister wie unbehaglich beklemmende Boiled über. Eine Statement: so homogen und schlüssig war das ambiente Suspense-Durchatmen im noiseinfizierten Drone-Horror auf Immersion noch nicht in den großen Kontext eingewogen. Wo doch ein wenig wahllos (oder richtiger: eher theoretisch aufgehend als praktisch) in den Prozess eingefügt schien, mutiert der ganzheitliche Strom von Insurmountable absolut natürlich zu Boiled, bekommt das Stück auch den entsprechenden Raum, um sich zu entfalten.

Wegen dieser homogenen Geschlossenheit der Stücke inhaliert man die beklemmende imaginative Sogwirkung der hässlichen Klangmalerei diesmal förmlich, vor allem aber funktioniert der Nutzen dieses Gegengewichtes zum Doom ideal: Körper und Geist können sich von dem die Aufmerksamkeit mit immenser Dichte überflutenden This Life erholen, die Reizrezeptoren stumpfen nicht ab, auch wenn die Atmosphäre so klaustrophobisch, nihilistisch und dystopisch bleibt, als wären Sunn O))) in aller Andacht dem mystischen Kult von Many Blessings beigetreten.
Von der relativ (beun)ruhigen(den) Ausrichtung dieser Einkehr profitiert auch das folgende Cage Intimacy, in dem Primitive Man ihre verinnerlichte Formel variabler in den bestialisch reißenden, mit Blast Beat peitschenden Black Metal treiben, später Kaskaden von Riffs so majestätisch und geduldig wie stoisch und misanthropisch zu einer Feedback-Orgie schichten und danach jede Zurückgenommenheit der Katharsis fachmännisch planieren.
Einer der bisher stärksten Songs der Band überhaupt unterstreicht als Paradebeispiel den den nunmehr organischeren Drum-Sound von Arthur Rizk und spielt die Trümpfe hinsichtlich der Dynamik und der Kurzweiligkeit nun so rund auch über plättelnde Longtrack-Monolithen aus, die Immersion dann doch abgingen. Dass Insurmountable dahingehend nun auch die bessere Gesamtspielzeit erzielt, ist dann das finale Puzzleteil in einem Stück Optimierungsarbeit, dass vielleicht schnell erfasst ist, dabei aber die richtigen Knöpfe drückt, und einen essentiellen Impuls des Destillats Immersion auf eine breitere Fläche auswalzt: Während das Opus Magnum Caustic 2017 noch ein anstrengender Kraftakt war und bleibt, ist es mittlerweile auf masochistische  Weise befriedigend und ja, unterhaltsam Primitive Man als Drangsal zu wählen.

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