Samia – Bloodless

von am 9. Juli 2025 in Album

Samia – Bloodless

Nach dem zumindest ein klein bisschen enttäuschenden Vorgänger Honey hält Bloodless als ihr bisher bestes Studioalbum, was man sich von Samia anhand ihres tollen Debüts The Baby im Jahr 2020 versprochen hat. 

In einer Zeit, in der gefühlt alles bis zu einem gewissen Grad nach Lana, Billie, Phoebe oder Taylor klingen muss, entzieht sich zwar auch die 28 jährige Samia Najimy Finnerty dieser These nicht ganz. Doch schafft sie es, hinter einem komplett austauschbaren 08/15-Artwork dennoch, sich eine eigene Handschrift im Eklektizismus zu bewahren.
Das ist die große, heimliche Stärke von Bloodless, das zwar auf einen ähnlich unkaputtbaren Hit wie Big Wheel ebenso wie einen Instant-Liebling a la To Me it Was verzichtet (und streng genommen schon vor dem Ende seiner kurzweiligen 40 Minuten Spielzeit alles wirklich essentielle gesagt hat), sich in seinem flüchtig angelegten Songwriting aber besser der eigenen Stärken bewusst ist: Eine gewohnt tolle Stimme schafft es in warmer, angenehmer und liebenswürdig verträumter Atmosphäre gleichzeitig so subtil und ganz direkt zu sein.

Das so fragil und intim gehauchte Proof packt etwa plötzlich ein „You don’t know me bitch!“ als stillen Knockout aus, der eingängige Indie-Singer-Songwriter-Folk der Boygenius-Schule in Bovine Excision bekommt im Refrain ein paar gazend nachbrennende Schraffuren – ähnliches gilt für Carousel, das sich sich unter einem Sternenmeer dreht um in erhebender Geste zu erblühen, Opulenz ohne Kitsch oder Bombast erzeugt, sich aber einen niedlichen Rock-Klimax gönnt.
Hole in a Frame stackst aus der Bedroom Pop-Intimität – und dass die Chor-Arrangements dabei eher angedeutet als konzentriert werden, ist eines der charmanten Details der Platte.

Kein Song sticht dabei diesmal explizit aus dem Ganzen heraus, vor allem fällt aber keiner aus dem runden Gesamtwerk in seinem dynamischen, abwechslungsreichen Fluss heraus und trotzdem wächst einem nahezu jeder Moment mit Fortdauer ein merkliches kleines bisschen mehr ans Herz: Derweil die Amplituden in der Qualität einem grundlegend höheren allgemeinen Niveau gewichen sind, greift die Produktion zudem hintergründiger.
Und dass Samia zudem lieber zur nächsten Szene weiterspringt, anstatt eine Idee über Gebühr auszureizen und Langeweile zu riskieren (siehe vor allem anhand des fragmentarisch zum Interlude neigenden Craziest Person) schadet freilich auch nicht.

Lizard bietet so den Soundtrack für eine sommerliche Aufbruchstimmung an melancholischen Stränden, an denen der Club nur eine verschwommene Fantasie ist, weswegen der Kontrast zum kontemplativen Schwelgen von Dare eher subversiv gerät.
Das geheime Highlight-Doppel aus Fair Game (das im sanften Wogen der Arrangements schippernd vom Lagerfeuer wegtänzelt zeigt symptomatisch ein fesselnd-schüchternes Selbstvertrauen in der Hook zeigt) sowie Spine Oil (das ein vages Lächeln ins Gesicht zaubernd poltert) entwickelt ein dezentes Suchtpotential auf Augenhöhe mit Samias besten Songs und Sacred plätschert gefällig zwischen dem Wunsch nach vorne zu blicken und dem Zwang nicht von Vergangenheit lassen zu können, derweil die textliche Komponente mit dem entwinden von Kalenderweisheiten jenseits der Banalität („You never loved me like you hate me now“) die Nummer vor der Harmlosigkeit bewahrt.
Nachdem North Poles hat in seinem ansatzweise epischen Streben etwas von einem vorgezogen Finale hat, widmet sich auch der relative Clusterfuck Pants mit In Rainbows-Vibe, dängelnder Strophe und intimen Appendix als nur augenscheinlich redundanter Abspann inhaltlich diesen zentralen Themen der Platte, indem es dem Hadern im Heute, dem Zerreiben von Gestern und Morgen sowie dabei entstehenden Identitätskrisen einen Riegel in Form guter Vorsätze vorschiebt: „Too then to be right now/ I’ll trade the why for how“ singt Samia und tauscht nicht nur hier das Momentum gegen ein bisschen universelle Zeitlosigkeit.

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