Alan Sparhawk with Trampled by Turtles – Alan Sparhawk with Trampled by Turtles

White Roses, My God war ein diffuses, sich selbst und alle anderen in einer entmenschlichten Verweigerungshaltung kasteiendes Werk, das Alan Sparhawk ohne Mimi Parker als seinen Fels in der Brandung in einer orientierungslosen Phase seines in Trümmern liegenden Lebens zeigte. Es war aber wohl auch nötig, damit er sich nun mit Trampled by Turtles dem Schmerz stellen und ihn zu einem nicht mehr für möglich gehaltenen Wunderwerk der heilsamen Katharsis übersetzen kann.
Bereits Ende 2022, wenige Wochen nach dem Tod von Parker, hatten die seit langem mit Low befreundeten Kumpels aus Duluth ihren Förderer Sparhawk auf die Bühne eingeladen, und ihm ein geborgenes Umfeld für seine Trauerarbeit geboten.
Als Dave Simonett (Vocals, Gitarre), Erik Berry (Mandoline, Vocals), Dave Carroll (Banjo, Vocals), Tim Saxhaug (Bass, Vocals) und Ryan Young (Fidel) im Winter vergangenen Jahres dann die Pachyderm Studios in Cannon Falls, Minnesota für Aufnahmen gebucht hatten, war dies für den 56 jährigen die Gelegenheit, sich vollends in das Bandgefüge fallen und seinen Schmerz vom Kollektiv tragen zu lassen.
Wobei die Musiker teils auf neue Songs von Sparhawk zurückgegriffen, teils auf schon existierende Stücke.
Da sind etwa zwei Nummern, die sich bereits auf White Roses, My God fanden, und anhand derer sich besonders gut nachvollziehen lässt, wie geborgen sich die wieder unverfremdete, sich hinter keinen Effekten verschanzende Stimme Sparhawk in den minimalistisch gehaltenen, roh und ungeschliffen eingefangenen, einem archaischen Naturell folgenden Bluesgrass-Folk-Umgebung von Trampled by Turtles fühlt, obgleich sie direkt an der offenen Wunde existieren.
Heaven ist nun ein die Melodie pflegendes, ruhiges Zwischenspiel im gedrosselten Tempo, bei dem der erhebende Harmoniegesang der Platte den flehend beseelten Gesang stützt und den Inhalt umso ergreifender vertieft („Heaven/ It’s a lonely place if you’re alone/ I wanna be there with the people that I love/ Maybe someone that you’re waiting“), wo auch Get Still nun als friedvoller, fast soulig schippernder Wellengang und loses Plätschern mit dezent elektrifizierten Nuancen für ein Durchatmen im Albumfluß sorgt.
Sparhawk geht jedoch sogar noch weiter, indem er für Low mit Mimi erdachte Kompositionen einbringt, die im Kontext von Double Negative (2018) und Hey What (2021) jedoch (noch) nicht (mehr) funktionieren wollten: Too High (das eine beschwingte Leichtigkeit und regelrecht optimistische Aufbruchstimmung an den Tag legt) sowie Princess Road Surgery (das nach dem relativ abrupten Ende von Get Still im Kontext fast schon als gelöste, sich im Stop-and-Go auflehnende Rock-Annäherung durxhgeht). Und vor allem natürlich Not Broken, das nicht nur seit Jahren als Pandemie-Demo existiert und angeblich den Titel eines sagenumwobenen unfertigen letzten Low-Albums im Refrains trägt, sondern schlichtweg einen puren, magischen Gänsehaut-Moment im Blick nach vorne einfängt, wenn Tochter Hollis die Duet-Partnerin in einer traurigen, stillen und langsam Innenansicht gibt, dabei ganz wie ihre Mutter klingt, und ihrem Vater damit die Sicherheit gibt, vollends aus sich herauszugehen: „Oh, that sound, it’s so damn loud/ Hold it down, hold it down/ …./ It’s not broken/ Not broken“.
Eine instinktive Spontanität zu einem integralen Aspekt der Zusammenarbeit erklärend, haben Sparhawk und Trampled By Turtles das Material mit Produzenten-Intimus Nat Harvie weitestgehend an einem einzigen Tag als Einheit eingespielt: Die schroff und weich eine warme, organische Geborgenheit erzeugenden Nummer wurde als Gemeinschaft aufgearbeitet – wir haben es hier dezitiert nicht mit dem dritten Soloalbum von Sparhawk mit einer Bande Erfüllungsgehilfen im Rücken zu tun!
Noch intensiver als Not Broken sind deswegen jene beiden diesem Umstand deutlich ausdrückenden kathartischen, beinahe zur Kakophonie tendierenden Höhepunkte der Platte, die auch deswegen zum Besten gehört, was Sparhawk respektive Trampled By Turtles in ihren Karrieren aufgenommen haben, weil sie so eben gar nicht erst ohne die jeweils andere Partei möglich gewesen wären.
Für den Screaming Song nimmt sich die Band erst zurück, trägt Sparhawk mit einer umsichtigen Balance aus Disharmonie und erhebender Majestät, doch zerreißt es das gnadenvolle Zentrum des Album vor Kummer. Inhaltlich („When you flew out the window and into the sunset/ I thought I would never stop screaming“) und auch ästhetisch nach außen gehend, wenn die quietschenden, schrammelnden Streicher vor Schmerz schreien und dorthin gehen, wohin der Witwer in der schlichten Poesie der Worte und des verletzlichen Gesangs sich nicht mehr verausgaben kann.
Auch im unendlich traurig ergreifenden Don‘t Take Your Light spielen Trampled By Turtles eine flehende Folklore, die Lankum zu Ehren gereicht. Tief grollende, praktisch gregorianisch chantende Backingvocals gehen aufwühlend, beschwörend in Magengrube, die Violine bäumt sich mit Schrammen auf und thront auf dieser introspektiven Urgewalt. „That singing together is love—the feeling of support. It means years of friendship.” sagt Sparhawk – und anders wäre die überwältigende Kraft dieser Nummer auch nicht zu erklären.
Spätestens durch diese beiden Stücke wächst Alan Sparhawk With Trampled By Turtles dann auch wertunsgstechnisch aufgerundet in die nächsthöhere Ebene. Denn streng genommen mag inmitten der Klammer aus Stranger (das stoisch und schwelgend schreitet) sowie dem zurückgenommen seinen Frieden findenden Epilog Torn & in Ashes entlang kurzer 31 Minuten streng genommen das plättende, auslaugende Volumen fehlen, damit sich die neun nicht restlos rund sequenzierten Songs tatsächlich wie ein vollwertiges Meisterwerk anfühlt. Manche Songs hätten anstelle eines minimal zu raschen Abschlusses noch gerne (wie wohl live möglich) einen kleinen Schritt weiter gehen können, derweil das Gesamtwerk szenisch angelegt auf rein musikalischer Ebene betrachtet zugegeben nur bedingt zu mehr als der Summe seiner Teile wird.
Aber dies sind keine Kritikpunkte die Alan Sparhawk With Trampled By Horses schlechter machen – es sind vielmehr Kleinigkeiten, anhand derer die Platte noch besser hätte werden können.
Auch so – und vor allem in Anbetracht der das Album umgebenden Umstände – fängt die Synergie existentielle, unbedingt ergreifende Gänsehaut-Momente ein, die einen ein Leben lang begleiten werden; die den Finger in die Wunde legen, die Low auf ewig hinterlassen haben, um dabei eine mit universell Trost erfüllende, versöhnliche Heilwirkung zu zeigen, die man so nicht (mehr) für möglich gehalten hätte.
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