…And You Will Know Us By the Trail Of Dead – XI: Bleed Here Now

von am 27. September 2022 in Album

…And You Will Know Us By the Trail Of Dead – XI: Bleed Here Now

Alleine weil der direkte Vorgänger X: The Godless Void and Other Stories in einer stets extrem zuverlässig so hochqualitativ abliefernden Diskografie das stärkste Album seit den Heydays von …And You Will Know Us by the Trail of Dead war, hat das mit einem ungehört skeptisch machenden Opus Magnum-Auftreten daherkommende XI: Bleed Here Now von vornherein einen schweren Stand.

Wo 22 angekündigte Tracks vorab Erinnerungen an Conrad Keelys Sammelsurium-Soloalbum Original Machines wecken durften, gibt aber auch einige reell bleibende Kritikpunkte, welche selbst ohne die die Erwartungshaltung nach oben schraubende 2020er-Messlatte hinsichtlich der Euphorie bremsen.
Etwa, dass selbst ohne wirklichen Ausfall im etwas schwammig, leise und dumpf produzierten Gefüge nicht alle Interludes (oder Song-Outros) der 75 Minuten umfassenden Platte unbedingt essentiell sind, sich manche Ideen wie Fragmente unausgearbeiter Songs anfühlen oder anderswo der Spielfluß durch die Stückelung gehemmt wird. Gerade Long Distance Hell nimmt als zweites Intro am Stück (an der Schwelle zur unfertigen vollwertigen Komposition) etwa ziemlich deplatziert die Dynamik aus dem Aufbau, den der spaßige Verve der multilingualen, epochal angedeuteten Dramatik Our Epic Attempts aufgelegt hat und wirkt wie ein enervierendes Hinauszögern der Haupthandlung, während das auf Metaebene pulsierende Sounds of Horror zu unausgereift eingefügt wurde und wie auch die orientalische Cyberpunk-Halluzination The Widening of Gyre, das willkürlich auftauchende String Theme als märchenhaft schreitender Mittelalter-Streicher oder der tolle RPG-Fanfaren-Score A Life Less Melancholy so ästhetisch ansprechend ist, um derart unausformuliert fast verschwendet erscheint.
Anderswo funktioniert nicht nur Darkness Into Light als orchestral glimmerndes Klavier-Appendix zu dem mit fabelhafter Größe und Anstand um eine erhebende Melodie mäandernden, im Finale beinahe die in Aussicht gestellten Früchte erntenden Contra Mundum wunderbar, sondern legt auch das ambiente Pigments in seinem nebensächlichen Träumen den Weg für das das anmutig schwelgende Golden Sails, das als wachsende Grandezza esoterisch von retrofuturistischen Synthies angetaucht wird und im engelhaften Knife Prty-Chor aufgeht – Idealbilder der synergetischen Gangart und insofern beispielhaft, weil Bleed Here Now wie hier immer wieder vorführt, wozu die Intermezzo-Meister Trail of Dead auch diesmal an sich immer noch fähig wären.

Störender ist aber, wie merklich Keeley stimmlich abgebaut hat, kaum mehr die leidenschaftliche Intensität von früher kanalisieren kann, sondern manchmal nuschelnd, manchmal seltsam kraftlos nölend durch die Songs irrt und keinen prägnanten Druck auf das Material bekommt.
Dass Jason Reece am Mikro diesmal bis auf ein paar wenige Hintergrundauftritte (vor allem als zurückhaltender Anpeitscher im vom Kinderlied zum jubilierenden orchestralen Märchen wachsenden Protest Streets) keine Rolle spielt, fällt so nur noch mehr ins Gewicht – No Confidence (in dem Keely mit extrem nervigen Effekt auf der Stimme singt und so eine grandiose Nummer sabotiert, die einen hymnisch auftürmenden Klasse-Refrain anbietet) oder die Punkrock-Skizze Kill Everyone wären wie für den muskelanspannenden Co-Frontmann gemacht, und verdeutlichen auf, dass Bleed Here Now diese angriffslustige Facette einfach fehlt, obwohl sich die Platte bei aller Homogenität durchaus einem variablen Abwechslungsreichtum verschrieben hat und so viele selbstreferenzielle und eklektische Details zu entdecken parat hält.

Das in einer grandios sequenzierten Phase der Platte übernehmende Highlight Water Tower pflegt seinen Bass Groove für eine feierliche Harmonie im Ballsaal, bevor der Zauber der Bandhistorie mit einer direkten A Classic Arts Showcase-Reminiszenz besticht, oder der formidable Rocker Penny Candle direkt an The Best streift. In der strahlenden Grandezza Millennium Actress gibt es zudem sogar ein Wiedersehen mit Amanda Palmer, wohingegen Britt Daniel im Aufprall des so gefühlvoll wie minimalistisch gezupften Growing Divide als sanft-folkloristische Samtpfote eher unscheinbar unterstützt.
Field Songs gibt sich erstaunlich optimistisch und locker-poppig, und das überlange Taken by the Hand schlendert launig-lässig, die Dringlichkeit immer wieder aufkochend und schleifen lassend, zumal der Percussion-Jam der orientalischen Psychedelik einem runden proggigen Bogen beschreiten, bevor Salt in Your Eyes locker und ungezwungen auch von Titus Andronicus in einer schunkelnden Bar losgelassen worden sein könnte, und das Doppel aus English Magic (ein tröstend trauriger Epilog an der Gitarre mit Streichern) und Calm As The Valley (mit seiner choral-orchestralen Opulenz) den Kreis zum Einstieg dieses beinahe triumphalen Gesamtkunstwerkes spannt.
Geniale Ausnahmestücke oder restlos ikonische Momente kommen dabei dazwischen diesmal vielleicht keine zustande – auch wenn das ineffektive, ruhig pointierter ausfallen hätte dürfende Bleed Here Now immer wieder knapp an solchen Szenen der Überwältigung dran zu sein scheint. Weswegen allerdings eben auch besagte negativen Aspekte mehr Aufmerksamkeit bekommen, als einem eigentlich lieb ist – oder das Ganze im Grunde verdient. Denn wenn überhaupt scheitern Trail of Dead hier höchstens an sich selbst und ihren Ambitionen, was im Umkehrschluss allerdings nicht bedeutet, dass der bald ein Dutzend grandioser Alben dauernde Lauf der Band hier auch nur ansatzweise ins Straucheln kommen würde.

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