Bosco Sacro – Gem

von am 13. März 2023 in Album

Bosco Sacro – Gem

Das in Szene-Kreisen offenbar durch zahlreiche anderweitige Projekte längsten bekannte italienische Quartett Bosco Sacro gibt auf seinem Debüt Gem eine vage erste Skizze über die weitreichenden Gefilde ab, die es zu bewandern gedenkt.

Die Gitarristen Paolo Monti (The Star Pillow, DAIMON) und Francesco Vara (Tristan da Cunha, Altaj), Schlagzeuger Luca Scotti (Tristan da Cunha) sowie Galionsfigur und Sängerin Giulia Parin Zecchin (Julinko) verorten die 32 Minuten ihres Erstlingswerkes im Doomgaze, greifen damit aber eigentlich zu kurz: mit sakral croonendem Ethereal Wave-Sopran-Gesang als Leitfaden schweifen sie durch eine ätherische Ambient-Dunkelheit, in der die Postrock-Gitarren shoegazend flimmern und die offen schwebenden Strukturen die elegische Atmosphäre einer ahnbaren Goth-Ästhetik ebenso körperlos einfangen wie konturfreie Postpunk-Assoziationen zwischen den Zeilen. Man darf an Kollegen wie Messa, das Lovecraft Sextet oder sogar Enya im Portishead-Rausch denken, ebenso wie an Esben and the Witch oder Dead Can Dance – ohne dass Gem tatsächlich wirklich nach einer dieser Assoziationenklingen würde.

Jedenfalls eine grundlegend sofort einnehmende Stimmung, die die Italiener da erschaffen – die in erhabenen Stücken wie Be Dust (das als Highlight leider einzig annähernd die Kraft der erzeugten Wall of Sound nutzt) auch der einzigeine unwirkliche Grandezza entfalten, dramatische Melodien mit subversiven Spannungsbögen versehen und gerade in der ersten Hälfte der Platte die Gegebenheiten für ein starkes Panorama kreieren. Ja, es ist wirklich sehr einnehmend, in den verträumten Wellengang der Platte zu steigen, sich der mäandernden Aura fast meditativ hinzugeben und aus dem peripheren Feld der benebelten Wahrnehmung zu beobachten, wie Bosco Sacro ihre sechs bedächtige Songs mal eindrucksvoller, mal nebensächlicher verdichten und ihnen aufbauenden Raum geben.

Dennoch bleibt Gem sowohl als Summe seiner Teile wie auch im Fokus auf die Teilstücke seltsam unbefriedigend, ist jede Nummer gefühlt zu früh aus, weil die Kompositionen in letzter Konsequenz zu zwanglos keine restlos ergreifenden Klimaxe kennen, und der stilistische MO trotz der Perspektiven nicht sonderlich vielschichtig daherkommt, dafür aber die Kohärenz ein bisschen strapazierend überraschungsarm. Hinten raus verliert sich das Debüt insofern ein klein wenig selbst im eigenen Müßiggang.
Bedeutet: Gem ist ein betörender, unterwältigender, interessanter, fesselnder, unausgegorener erster (vielleicht auch einfach zu kurzer) Gehversuch einer versierten, kompetenten und viel Potenzial zeigenden Gruppe, dem man seine relativ spontane, instinktive Entstehung vielleicht eine Spur zu nachteilig (weil oberflächlich bleibend) anhört.

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